„Kein Eintritt, Keine Polizei“ – Die Räuber sind ein Kollektiv aus Bremen und Berlin, das seit 2009 Jahren ungenutzte Räume in der Stadt temporär erobert. Mit ihren Aktionen wollen sie die Verbindung von Party, Politik und Kunst schaffen.

INTERVIEW

Die Räuber (2013)

Aufgezeichnet um 19:43 an einem Mittwoch, 2013. Berlin.

Die Räuber – Umherschweifende Haschrebellen oder Theaterstück?

Interview zum Thema: Projekt Räuber.

 
RYC verabredete sich zwischen Läb, Höhle und Hauptquartier zum Interview. Die verabredeten Zeichen wiesen uns den Weg zu einem geheimen Ort. Die anwesenden Räuber hatten zum Zeitpunkt des Interviews folgende Sachen in ihren Taschen: eine Packung geklaute Kabelbinder, einen 3D-gedruckten Feuerlöscheraufsatz und einen Haufen Münzen, der noch gezählt werden musste.
Wir tranken abwechselnd schwarzes und rotes Selbstgepanschtes und sprachen über Gott, die Polizei und räuberliche Perspektiven auf die Welt.

Hallo Räuber. Seit einigen Jahren seid ihr für aufwändig inszenierte illegale Parties nicht nur in Berlin und Bremen bekannt. Wie habt ihr Euch zusammengefunden?

Jakob: Es gibt viele verschiedene Versionen wie es angefangen hat. Dass es da unterschiedliche Versionen gibt ist auf jeden Fall charakteristisch für unsere Gruppe. Für mich war der Start ein eher zufälliges Zusammentreffen zwischen Berlin und Bremen. Ganz am Anfang war da einfach die Idee eine Party zu veranstalten.

Wenzel: Zur ersten Party: Planlos nach Bremen gefahren; rumgehangen… durch gemacht… Drogen genommen… Tauscharbeit verrichtet… Hassi getragen… mich geschlägert… Geld gezählt… Spaß gehabt!

Bernhard: Die Räuberparty gabs quasi vor den Räubern, die machte uns zu den Räubern.

Schon den ersten Rave habt Ihr in einer leerstehenden Lagerhalle in Bremen veranstaltet. Warum habt Ihr Euch für einen Ort wie diesen entschieden?

Jakob: Stadtpolitik war für mich ein großes Thema und ist es auch noch. Durch die Beschäftigung mit Stadtpolitik bekam ich ersten Kontakt zu verschiedenen Aktionsformen. Es gab da irgendwann eine Reclaim The Streets Veranstaltung mit einer Critical Mass (~ kritische Masse, bezeichnet die Zahl ab der eine Fahrraddemonstration den Straßenverkehr sperren kann) Der Aktionsabschluss war eine illegale Party in einer Fabrikhalle. Diese befand sich auf dem Gelände der umgedrehten Kommode, auf der Weserinsel in Bremen. Mittlerweile ist das alles abgerissen und das Gelände ist mit Townhouse Villen bebaut, das gibt es ja überall auf der Welt und sieht auch überall eigentlich gleich aus. So jedenfalls kamen wir zu dem Gelände als Veranstaltungsort für die erste Party.

Wenzel: Also ich kam nach Bremen, weil mir ein Freund gesagt hat, dass ein Freund von ihm, der jetzt dort studieren würde ne scheißegal Veranstaltung macht… hörte sich interessant an… also hin da.

Bernhard: D. hat mich gefragt, hast du Bock mit mir ne Party zu machen? Ich war sofort dabei, hatte schon immer ein Faible für verlassene, leerstehende Räume. Räume die durch offensichtliche Vernachlässigung nur noch sich selbst gehören. Das gab mir schon früher das Gefühl in eine andere Welt abzutauchen… Wir ham uns dann mit nen paar Leuten getroffen… irgendwann kam ne Horde Berliner dazu und plötzlich war dieser Raum ein Möglichkeitsraum. Voll mit Menschen wurde das dann etwas Verwirklichtes.

Jakob: Schon unsere erste Party war eine illegale, also keinen Mietvertrag, keine Ausschankgenehmigung. Durch gute Wahl des Ortes gab es keine Anwohnerbeschwerden und so konnten wir einfach eine Party feiern. An einem Ort der auf dem Papier jmd. gehört, aber der in Wirklichkeit vor sich hinmodert.

Bernhard: Bei der Veranstaltung haben wir auch Eintritt genommen, was für einige Verstimmung gesorgt hat. Es gab da ne Bafoeg-Rückzahlung und es wurde nen bisschen privat Kohle zusammengeschmissen – davon wurden zwei Boxen, ein Generator und Getränke geholt. Die Boxen und den Generator wollten wir refinanzieren, bzw. gucken ob das möglich ist. Wir hatten damals schon darüber gesprochen, dass es, wenns gut geht weiter laufen soll. Der Plan war, dass wir immer einfach alles stehen lassen können wenn die Bullen kommen. Also ne Anlage von einer Party finanziert der wir nicht nachtrauern müssen wenn wir sie verlieren… Denn, wir müssten einfach nur die nächste Party machen…

Damals hat übrigens AlleFarben bei uns gespielt – mit nem MP3 Player. Der war damals noch nicht so bekannt und für uns einfach einer von den Kreuzbergern, der halt auflegen konnte.

Und wie ging es dann weiter?

Wenzel: Wieder mit Party. Die Zweite glaube ich, war direkt in Berlin… Bei der machte ich die Orga … Resultat: Die Räuber vom Schwarzenkanal. Interessant: keine Bulln… 500 – 700 leute… Staub in der Lunge… besoffen rauchen beim Generator befüllen… fette Party… Malerei: tonyG!

Kommt Ihr aus der Club-Szene, bzw. hattet ihr schon Vor-Erfahrung mit solchen Veranstaltungen?

Amalia: Wir haben das am Anfang komplett selbst und aus dem Raum gegriffen gemacht. Wir waren in keine bestehenden Strukturen eingebunden. Haben uns zwar erkundigt worauf man aufpassen sollte und was auf so einen Hinweiszettel drauf soll.

Aber sonst haben wir das frei von allen Anderen gemacht, auf den Tisch gehauen und einfach gemacht. Doch schon einige Monate nach der ersten Party haben wir relativ schnell Anschluss an Bremer Strukturen gefunden. Was dann auch gut und wichtig war. Dadurch konnten wir mit Menschen sprechen die sowas schon länger machen. Aus unserer ersten Party und den Erfahrungen Anderer haben wir viel gelernt, es wurde nur noch mit Plattentellern aufgelegt. Eintritt gab es auch keinen mehr und Feuerlöscher wurden nur im Freien gezündet.

Die Flyer von Euren Partys waren immer recht markant und erinnerten anfänglich an einen Erpresserbrief. Dann der Slogan: Kein Eintritt Keine Polizei…

Jakob: Erpresserbrief war das Konzept, auch schon mit dem ersten Flyer. Der Plan war damit zu vermitteln, dass wir etwas haben was eigentlich dir gehört. Um es zurückzubekommen musst du an den bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit kommen und die Lösegeldsumme bezahlen. Der Eingangsslogan war darum auch: „Wir haben deine Party.“

Bernhard: Und das: „Keine Polizei“ stand auch schon auf dem ersten Flyer. Erstmal passte das zum Konzept des Erpresserbriefs, aber wichtiger war es uns klar zu machen, dass das was Illegales ist. Etwas besonderes. Ein Bruch mit der Aufsicht der Staatsgewalt.

Jakob: Wir sind schnell auf den Trichter gekommen, dass das was wir da hatten die freie Party war. Der Anspruch Räume für alle zu öffnen; das geht nur ohne Eintritt. Denn das was eigentlich dir gehört und was wir dir anbieten für eine Zeit wiederzubekommen, das ist die freie Party.
Die Party die du sonst nicht findest, die nirgends beworben wird und auf der niemand wirbt.
Die Party bei der du nicht an der Tür abgewiesen wirst, es gibt nämlich keine Türkontrolle.
Deine 20 e in der Tasche reichen bis zum Morgen und werden nicht gleich durch den Eintritt halbiert.

Der freie Zugang zur Party in nem Raum der irgendwie Allen gehört, das ist es, was eine illegale Party als Hauptstatement für uns vertritt. Joa und Polizei und so, ist ja klar. Daraus entwickelte sich dann, als Beschreibung was von unserer Veranstaltung zu erwarten ist der Slogan: „Kein Eintritt. Keine Polizei.“. Später haben wir das mal wohlklingend als:“Dualismus aus Wunsch und Wirklichkeit“ bezeichnet. Ist klar welches sich da worauf bezieht…

Wenzel: Material sparen – deswegen so klein – … der Spruch: „Wir haben deine Party“ war geklaut und der Rest ist Unternehmensmotto; auf jeden Fall aus meiner Richtung… Wie ging das nochmal: Kein Austritt! Keine Bulln!… – auf Lebenszeit – … Schnullerbacken könns gleich vergessen :-) …so oder so änlich, wa?

Geht es Euch um Feiern als Selbstzweck oder steckt mehr Intention dahinter? Kurz gefragt vielleicht: Warum Party?

Jakob: Weil Party für uns funktioniert. Das Zusammentreffen von verschiedenen Leuten aus ganz verschiedenen Backgrounds funktioniert als Party. Darin unterscheidet sich vielleicht das was wir machen von anderen Parties.

Party war für uns ebensowenig Ausdruck eines Geschäftsplans wie einer reinen Feierei – Party war für uns vielleicht eher eine Art Aktionsform, son Sammelbecken. Klar einige wollten nur ne Party machen und haben das auch so eng begriffen: als Party.

Andere aber haben dadurch eine Einmischung in öffentliche Räume und Diskurse gesehen. Praktische Stadtgestaltungspolitik durch den Hinweis auf leerstehende Räume, die durch eine Party geöffnet, den Menschen vorgeführt und damit zurückgegeben werden sollten.

Und manche wollten den unvergesslichen Effekt haben und haben während der Party Feuerlöscher gezogen. Durch den Nebeleffekt sollte die Stimmung weiter angeheizt werden, doch Feuerlöscherschaum frisst Atemluft und das hat eine kleine Panik ausgelöst. Aber im Nachhinein ist es dann halt auch so ne Aktion die die Party unterscheidet und eben auch ausmacht.

Wenzel: Also mit dem Konzept hatte ich nix zu tun. Nur mit der Malerei und dem Feuerlöscher…. Das wurde durch Folge – aktionen so n bisschen zu unserem ding dong ;)

Bernhard: Ja, dass stimmt so. Party war ne Plattform die wir uns geschaffen haben, wo wir uns als Menschen treffen und malen / bauen / schreiben / musizieren / tanzen / reden / organisieren / … konnten und am Ende hatten wir dann nen bisschen Kapital in der Hand und es war dann irgendwie klar das wir alle das gleiche Recht darauf haben aber auch, dass das irgendwie der Sache gehört die wir da gerade veranstaltet haben…

Wenzel: Für mich gings hauptsächlich darum mich zu berauschen… Bezug zum Kapital, als das es jetzt uns allen gehört, hatte ich keineswegs – da Personen Geld vorgestreckt hatten und somit das Geld diesen welchen gehörte…ich war froh, dass die Fahrtkosten gedeckt waren…
Zum Machen: Durch meine Malerei war ich es gewohnt mir über eine gewisse Zeit Freiraum anzueignen… Dadurch hab ich einfach gemacht, andere Aspekte hab ich garnicht so wahr genommen… kratzt doch keine Sau…

Jakob: Dann hast du da noch den Abenteuerdrang, in leerstehende Fabrikhallen zu gehen, im Kopf schon Zufahrtswege auszumachen, Ton & Strompläne zu zeichnen. Da hat sich ein Möglichkeitsraum aufgetan, den ich zumindest vorher noch nicht kannte. Da sind Potentiale auf ganz vielen Ebenen aufgegangen. Da haben viele Leute Raum für sich gesehen, sich selbst und die Sache zu verwirklichen.

Lassen sich Party und Politik miteinander verknüpfen?

Jakob: Wir haben vor allem bei den ersten Parties große Anstrengungen unternommen zu versuchen ne politische Aussage in die Party zu bringen. Haben versucht die Party in einen Kontext zu verflechten. Kontext aus Zeitgeschehen und z.B. Hintergrund der Immobilie in der die Party stattfindet. Das ist die eine Schiene, die versucht hat die Party mit politischem Inhalt zu füllen.

Das hat sich über die Zeit verändert, vor allem dahingehend, dass wir die Leute feiern lassen, denn dafür sind sie hergekommen. Die zweite Schiene lässt sich wohl mit dem strapazierten Schlagwort Freiraum beschreiben. Die Leute darauf hinzuweisen, dass es so ne Orte gibt – massenhaft – die vor sich hin rotten. Die entweder auf Abriss warten oder auf weitere Spekulation. Aber eigentlich sind die Orte frei, da ist niemand der die im praktischen Sinne nutzt.

Das waren so die Ideen Politik und Party zu verknüpfen. Wir hatten damit auch Pläne anzuregen, dass sich ein Gespür für sowas entwickelt und sich ne kleine Welle lostreten lässt von Leuten, die sich ungenutzen Raum aneignen. Damit haben wir aber später fast vollständig aufgehört. Um es abzukürzen: mittlerweile versuchen wir da nicht mehr nen Spagat zwischen Party und Politik, sondern begreifen Party als Politik.

Pintea: Politisierung einer Party fand ich immer komisch. Hab da zuerst immer an Parteien und so n Scheiß gedacht :)

Bernhard: Viele Leute die da interessante Ansätze hatten ließen sich relativ schnell von Zwischennutzungskonzepten befrieden. Wir ham auch Anti Atom Raves veranstaltet und in der Bremer Obdachlosenzeitung und anderen Medien am Diskurs über Parties und Freiräume teilgenommen – aber nie mit unserer Identität als Räuber. Wir haben mal gesagt: die Räuber sind unbekannt. Und ne Zeit lang war das auch so.

Wenzel: weils die Leute brauchen… kannst dich nicht mehr mit nem Pappschild aufn Kudamm stellen und über Probleme diskutieren, da nimmt dich kein Mensch wahr… die Macht die wir haben auf diese Weise Leute ein Stück weit mit zu beeinflußen ist uns lange nicht klar gewesen… aber ich denke viele Menschen sind auf der Suche nach: NICHT DER NULLACHT15KONSUMALLESTEUERKEININHALTPARTY… es geht auch darum die Leute weg vom Konsument / Reaktionist zum Aktivist zu befördern (scheißegal: Graffiti malen oder trommeln oder was auch immer) … Ziele die ich mir selber setze.

Wenn ihr Inhalte ins Feiern tragt, spielt die Wahl der Orte eine Rolle?

Wenzel: Leerstand an sich ist eine Wahl des Ortes :)

Jakob: Doch. Die Wahl des Ortes ist immer noch wichtig. Wobei da eigentlich immer auch schon technische und logistische Aspekte ausschlaggebend waren. Also: wie ist es angebunden, wie sind die Zugangsmöglichkeiten, was ist mit Anwohnern, wie ist die Bausubstanz usw. Aber den Anspruch die Gäste der Party mit nem politischen Inhalt zu konfrontieren, das hat sich gewandelt. Kümmert ja eh kaum jemand, selbst bei uns in der eigenen Gruppe (lacht). Das Spannungsfeld Party und Politik hat sich nicht aufgelöst. Es gibt viel was sich dafür argumentieren ließe und gleichzeitig viel mehr was dagegen spricht.

Was spricht dagegen, illegalisierte Parties als politische Aktion zu betrachten?

Bernhard: Alles ist politisch…außer Kunst. Es sei denn sie will.

Jakob: Ist natürlich die Frage. Was ist ein Wort, was ist eine Bedeutung, was ist Politik für mich, was ist Politik an sich? Was für mich hauptsächlich dagegen spricht kann vielleicht mit dem Stichwort „Eskapismus“ zusammengefasst werden.

So ne Party findet häufig am Wochenende statt, da kommen die Bürgers, zur Entspannung, zur Ablenkung oder zum Ausgleich für die 5 – Cheftage und hauen sich so richtig die Birne voll. Das ist dann der Ausbruch in die Freiheit des kollektiven Rausches, vielleicht gibts nochn bisschen Sex aber Montag früh gibts sicherlich wieder Stempeln.

Die Droge die am meisten konsumiert wird ist Alkohol. Alkoholverkauf ist legal und damit lässt sich ne Menge Geld verdienen. Das ist dann Anreiz für das Geschäftsmodell Party – die Dienstleistung die dicht macht. Mache ich das aus anderen Gründen, dann bleibt am Schluss Geld übrig das dann in Dinge investiert werden kann die eben keinem Profit dienen sollen. Etwa: Veranstaltungen die keine konsumierbaren Produkterlebnisse werden sollen. Da seh ich dann über die Refinanzierung etwas politisches.

Aber für mich selbst hatte und habe ich Schwierigkeiten Party als politisch zu denken. Wie kann ein Ort, düster oder bunt beleuchtet, an dem vielleicht zwischen 100, 800, oder 1000 Leute zusammen kommen, sich betrinken oder sich mit Sonstwas möglichst weit versuchen wegzuknallen, ein Ort des Aufbruchs oder der Veränderung sein?

Wenzel: Kommentar zum Kommentar: aber immerhin kommen sie zu uns und gehen nicht in die Planke oder ins Matrix , ganz dolle scheiß Clubs in Bremen / Berlin. Was mich eher interessiert ist die Motivation genau dieser Leute. Nicht die Frage ob es politisch ist oder nicht… Sondern die jeweilige Motivation: ist es das Neue, Unbekannte oder der Hauch von Illegalität? – Sei es so, dann ist es politisch: Eine kleine Rebellion in einem Staat der durch Angst regiert wird.

Neue Räume zu öffnen, um Menschen zusammenzubringen, ist an sich also schon politische Aktion und ein Statement…?!

Jakob: Ja, das kann so sein. Aber eher war es auch der Gedanke Orte zu öffnen zusammen mit Bedienungsanleitungen. Der Versuch Leuten aufzuzeigen wie einfach es ist. Wenn man es machen will, dann geht es. Aber es war eben was anderes beobachtbar – es ist bei Parties geblieben.

Für uns ist so ne Party politisch, weil wir uns einen Raum nehmen, der lange ungenutzt leer steht und wir ihn damit zumindest einer Teilöffentlichkeit wieder zugänglich machen. Aber Nachahmung oder Miteiferei, das hat sich nicht eingestellt. Es gab keine Welle von anderen Räumen die geöffnet wurden. Das ist halt nicht passiert.

Hinterlässt eine Party eine Nachricht? In den Köpfen von Einzelnen sicherlich. Aber sicherlich auch in denen die nachher in die Räume kommen, denn die sind dann dreckig. Ne Party hat stattgefunden. Aber wahrscheinlich spielt es sowieso keine Rolle: der Raum steht leer und wird irgendwann abgerissen oder nicht. Who gives a fuck? Natürlich ist nie alles Eins und es gibt Einzelne die sich durch so ne Party gerüttelt gefühlt haben und was mitgenommen haben in ihren Alltag, Fragen stellen, Bock kriegen; was machen und aktiv werden.
Aber für die große Masse glaube ich bleibt eine Räuber Party eben (nur) eine besonders geile Party.

Bernhard: Das habe ich nen bisschen anders erlebt. Der Raum der leer stand wurde bespielt und a lot of people give a fuck. In dieser Nacht da wurde ein Bild von einer anderen Welt gezeichnet. Von einer Welt in der wir nicht nach nem Schlüssel gefragt haben – sondern einfach eingebrochen sind.

Gema? Schanklizenz? Ham wa nicht, wolln wa nicht! Kein Eintritt, Keine Polizei… Und das Bier ist erschwinglich… Danach wird das Schloss ersetzt, es wird abgeschlossen und der Raum wird uns wieder vorenthalten… warum? Um zu rotten! Jede_r der / die darüber nachdenkt gives a fuck und ich behaupte, das tun ne ganze Menge Leute…

Seltsamerweise sind wir dann mit der Zeit auf den Trichter gekommen bei illegalen Sachen die Aktion an sich als politisch zu sehen und auf eine weitere Vermittlung zu verzichten. Bei legalen Aktionen aber, ob Parties oder Demos, haben wir mit eingesprochenen Texten, Transpis, Visuals und Reden unordentlich agiert…

Wenzel zu Bernhard: Mehr davon auf Scheißegalen!

Habt ihr da versucht Gegenstrategien zur Passivität der Mitfeiernden zu entwerfen? Oder Strategien, wie es möglich ist Eure Inhalte besser zu kommunizieren?

Jakob: Ja, zum Einen durch die wiederholte Öffnung der Orte. Also das man versucht, dass Leute einen Ort aufsuchen und dort dann irgendwas machen. Hierdurch sind wir mit dem Schlagwort Zwischennutzung in Berrührung gekommen. Viele Leute messen dem ja auch ein politisches Element bei. Wir haben uns aber von sowas recht schnell wieder distanziert.

Das bedient ja nur eine Nische des Systems und macht den leerstehenden Ort und die eigene Energie verwertbar. Denn wenn du dich drauf einlässt mit Erlaubnis des Besitzers (sind ja selten Frauen) dieses Gelände / Gebäude zu bespielen, dann rückst du das wieder in den Diskurs und erhöhst damit den Grundstückswert.

Wenn du dann danach am vereinbarten Zeitpunkt den Schlüssel wieder abgibst und alles besenrein zurücklässt, dann hast du super an der Verwertungsmaschine mitgearbeitet, nur ohne wirklichen Verdienst. Anders herum wurdest du da verwertet – vielleicht merkst du es erst im Nachhinein. Zwar mit anderen Inhalten eventuell als der Mainstream aber, aus meiner Sicht, das ist reine Verwertungs Verwurstung.

Wenzel (stänkert): hört hört – Büro an der Spree und dann noch mit Miete-… zur Frage: Das Problem ist: für viel Propaganda braucht Mensch viel Material und Technikmaschinen welche teuer sind und ungern zurück gelassen werden ….deswegen eignen sich legale Veranstaltungen für so etwas besser.

Mit der „Odyssee durchs Geld“ – Party habt ihr ziemlich offensiv versucht, Kritik am kapitalistischen Wirtschaften zu thematisieren…

Jakob: Bevor ich da direkt drauf antworte will ich nochmal kurz ausholen, das Trapez gespannt aus den Punkten Kommunikation, Aufmerksamkeit, Spaß, Inhalt, Effekt, das ist mit die spannendste Sache an so einer Party.

Du verteilst Flyer und nach einer gewissen Vorlaufzeit hast du da eine Ansammlung Menschen die dahin kommen. Die kommen weil sie sich vergnügen wollen, gleichzeitig aber auch nach Input suchen. Inspirationen und Anreiz und da ist ne Party.

Für uns hat das recht früh mit der alten Schnapsfabrik in Bremen angefangen. Da haben wir begonnen die Gestaltung der Wände mit ein-zu-beziehen. Wir haben verschiedene Künstler eingeladen die, genau wie der Rest der Beteiligten, ohne Entgelt ihre Sicht auf die Welt mit Hilfe von Farben oder Sprühdosen sichtbar gemacht haben. Das haben wir dann punktuell beleuchtet und mit Sicherheit wurde das wahrgenommen; aber in so ner dunklen Fabrikhalle da musst du, wenn du Inhalte transportieren willst, über die Akustik kommen.

Ist eine komische Erfahrung, Flyer & Hinweiszettel zu verteilen und festzustellen, dass die Menschen denen du, was für dich der Mittelpunkt der Welt ist, das mitgeben möchtest und die gar nicht daran interessiert sind, weil die sich gerade vordergründig für ihren Film – „die Party“ – interessieren. Daraufhin haben wir uns dann entschieden, alle Kanäle anzusprechen und zwar konsequent. Vielleicht so geballt, dass, du, selbst wenn du möchtest, du dich nicht verwehren kannst.

Ziel war es also, die die aus ihrem fünftägigen Korsett herauswollen und sich jetzt möglichst schnell möglichst tief in die Basswelle stürzen wollen, auf Ihrem Sinkflug mit Inhalt zu begleiten – vielleicht bleibt ja was hängen.

Bernhard: Menschen, die eigentlich an sowas vorbei laufen, zu konfrontieren mit Bildern von politischen Kämpfen und Botschaften die kämpferisch sind. Das macht für mich dann auch das politische an einer Techno Party aus. Ich finde es wichtig eine gewisse Infrastruktur an heimlicher Freude oder auch nur Toleranz gegenüber militanter Politik auszuweiten. Den Leuten zu zeigen, dass das auch was Alltägliches sein kann ohne das Besondere zu verlieren.

Für mich ist klar, dass es so eine soziale Infrastruktur braucht um überhaupt die Möglichkeit einer Bewegung die hier etwas umwälzen kann zu schaffen. Bewegungen die tatsächlich etwas bewegt haben waren immer die, in denen Sitzblockierer_innen und Steinewerfer_innen vielleicht nicht nebeneinander – aber immer gemeinsam gekämpft haben.

Wenzel:….Deswegen eignen sich legale Veranstaltungen besser …Das kann und wird noch besser / mehr ;-) Aber es ist auch wieder die Blockade in den Köpfen so etwas möglich zu machen (ich hasse DJs-es mag Ausnahmen geben – aber oft: arrogantes Pack)… Techno ist Mainstream…aber wenn sich Menschen entscheiden ihm die Fluffigkeit zu nehmen bleibt er Mainstream, jedoch mit einem faden Beigeschmack. Denken hilft! Fuck Ego Hedos! yu…. schweine schüsse in die beine… Das Kapital kriegt uns Alle!

Welche Rolle spielte dabei die Dekoration?

Jakob: Das Konzept hatte das System Geld, Geld System zum Mittelpunkt. Die Wirtschaftskrise war auf dem Zenit und ist es in gewissem Sinne noch immer. Wir wollten Party und Politik verknüpfen. Dadurch wollten wir mit den Gästen und unseren Freunden die an diesem Abend auf diese Party gekommen sind in eine Form Dialog treten. Einen angestrebten Dialog über das zentrale Strukturelement unserer Gesellschaft. Kommunikation über Geld, ist dann Kommunikation über Kommunikation – denn Geld ist und kann dadurch Kommunikation auch ersetzen. Es wurden Transparente gemalt und aufgehangen, wie Bilder in einer Ausstellung. Danach sollten die Banner zu einer Demonstration des Occupy Umfeldes gehen.

Bernhard: Das war nicht Occupy, das war Blockupy. Das nimmt bloß den Namen auf, kommt aber aus der organisierten kapitalismuskritischen und antikapitalistischen Linken.

Jakob: Das jedenfalls war die Idee. Und da es um Geld ging, bekamen die Gäste selbstgedrucktes Geld ausgehändigt. Mit diesem konnten sie dann z.B. Schnäpse bezahlen. Wir haben versucht darauf aufmerksam zu machen, dass Geld eine reine Idee ist. Diese Idee beruht auf Vertrauen. Sobald ich dieser Idee nicht mehr glaube, oder ihr nicht mehr vertraue, ist sie hinfällig. Und Währungskrise haben wir ja jetzt auch schon so, mit Vertrauen.

Wenzel: Ich sehe diese Party als ein Experiment… Eine Art Motto – Party – Revival… Das Konzept von Party mit Streetart welches wir unbewusst mit entwickelt hatten ist im Arsch. Ausgelutscht und kommerzialisiert…Die Odyssee war für mich was Neues. Ein interessantes Motto im grossen Stil.
Hoffe wir schaffen mehr davon… Bevor wir die Ältesten auf den Partys sind.

Jakob: Die Visuals bestanden aus abgefilmten, zusammengeschnittenen Schnippseln aus dem Fernsehen und dem Wirtschaftsleben. Bilder einer Fahrt durchs Bankenviertel. Hoch und runterspringende Börsenkurse, Wirtschaftsfernsehen mit den Livetickern der Aktienkurse.

Als sich die Location schon wahnsinnig gefüllt hatte, ging plötzlich die Musik aus. War das so beabsichtigt?

Auf dem Höhepunkt der Party wurde auf allen Floors die Musik unterbrochen und die Schlussrede aus Charlie Chaplins „Der Grosse Diktator“ „Der Appell an die Freiheit der Welt“ wurde abgespielt. Ein so harter Schnitt ist wahrscheinlich die effektivste Methode die Gäste mit Botschaft zu erreichen. Das ist dann auf eine Art auch ein Zwangsmittel.

Das erfordert was, was auf einer Party eigentlich gar nicht geht: die Musik ausmachen. Ohne Musik keine Party. Doch wenn alles zu gefällig ist, sind die Gäste schnell versucht in gewohnte Bequemlichkeit zu verfallen und die nächste Flasche auszutrinken.

Wenzel: Ja das war mal interessant. Zum Thema Experiment… technisch wars nicht so leicht umzusetzen da es ja 3 Floors gab und keine Möglichkeit zur Vernetzung der 3 Systeme…. na wie auch immer – es lief dann über mp3 Player zu ner abgemachten Uhrzeit… Aus meiner Sicht hats ganz gut geklappt; jeweils einer von uns bei den DJs…1 2 3 und Musik aus – Rede an – Das Publikum buhte und pfiff aber der DJ(n aufstrebendes Talent aus Berlin) zog die ganzen 5 min. durch.

Nachher hörte ich, dass die Synchronschaltung nur auf einem Floor nicht geklappt hatte auf welchem einer von uns auflegte…Das hat mich schon traurig gemacht – n bisschen wie n Messer im Rücken (heul :-)  ) Naja letztendlich ist glaub ich nicht viel hängen geblieben… So ne kurze Pause sorgt noch mal für n richtigen Party Brand (auf scheißegalen merkt mensch das immer besonders wenn mal der Strom ausfällt oder so). Party Toll – Musik Aus – Menschen traurig – Musik An – Party noch viel toller :).

Wie steht ihr denn allgemein zu legalen Parties? Habt ihr da einen Standpunkt für euch entwickelt?

Jakob: Zu legalen, also angemeldeten Parties stehen wir zwiespältig. Eben auch wegen dem angesprochenen Spannungsfeld zwischen Party und Politik. Da wird solch eine Veranstaltung dann schnell zu beliebiger Wochenendunterhaltung. Die Odyssee war da sicher eine Ausnahme. Zum Einen wegen des so sicher einzigartigen Projekts auf einem ehemaligen Hochseefischer Schiffs. Zum Anderen unterstützte uns die Schiffs-Crew mit Infrastruktur, ließ uns aber gleichzeitig in der Umsetzung völlig freie Hand. Sonst sind legale Parties nicht ganz so frei in der Umsetzung.

Pintea: Ich würde gerne mal wieder ne legale schmeissen. Aber verglichen mit illegalen finde ich die immer problematischer. Weißt du, wegen dem ganzen pipapo mit Location zahlen, den Tresen übernimmt immer der Betreiber, die DJs wollen Kohle, der Raum darf nicht grundlegend verändert werden und die Grund Beleuchtung ist immer kacke…
Zum Schluss hat man ne Menge Zeit investiert, geht dann aber mit leeren Händen nach Hause..
Das Ganze kannst du einfach nicht auf nonkommerz aufziehen und da kommt dann wieder der Zwiespalt der Gruppe ins Spiel.

Bernhard: Ja, das sollten sich Menschen die mit sowas anfangen wollen vielleicht auch vom praktischen Standpunkt her überlegen… Vielleicht ist „illegal“ ja auch einfach prinzipiell einfacher…

Wenzel: Oder halt ne eigene Lokation… Dann biste nämlich Chef!

Und wie geht es jetzt mit den Räubern weiter?

Bernhard: 2012 haben wir Party und Kultur im Wechselspiel von Entertainment und Politik sehr erfolgreich auf der Cuvry-Brache in Kreuzberg ausprobiert. Da gab es das Reäuberläb und eine Räumung konnte verhindert werden. Davon will ich mehr.

Im Rückschluß auf politische Organisation im Allgemeinen finde ich es sehr spannend das wir uns über emotionale Beziehungen und nicht über unser Verständnis von Politik organisiert haben. Das wir also sehr heterogen sind und so in der Vergangenheit und hoffentlich auch in der Zukunft auf vielen Ebenen in vielen Freundeskreisen und Szenen mit unseren Vorstellungen wirken können.

Dass es Freundschaft ist, die uns zusammenhält und nicht unsere Meinung darüber wie die Gesellschaft verändert werden kann (obwohl wir uns einig sind, dass sie verändert werden muß…ist das so?!?) deshalb können wir miteinander unsere Utopien von Kommunikation ausprobieren.

Wenzel: 2014 besitzen! besetzen! traumbaum oder wirklichwurzel

Jakob: Die genaue Zielsetzung ist offen. Ein grosses Spannungsfeld ist das Geld. Alle stecken individuell in irgendwelchen System – Zwängen und müssen dadurch Geld erwirtschaften. Das ist alles nicht so leicht, aber wir wollen den Versuch wagen diese Erwirtschaftung kollektiv zu tragen. Darüber wie so etwas zu schaffen ist, alles unter einen Hut zu bringen, darüber denken wir noch viel nach. Fabrik – Partys sind auf jeden Fall die Tätigkeit die am meisten reizt.

Die Gruppe steht für Verknüpfung von: Arbeit, Wohnen, Leben, Politik, Freundschaft…KNUST. Party ist irgendwie die gemeinsame Klammer, um zu sehen was uns neben allem Unterschiedlichen auch eint und, um unsere Sicht auf die Welt Probe zu tanzen. Party hat uns zu gemeinsamer Lebens – Tätigkeit geführt.

Und dann hast du da am Schluss die Politik der Party; uns hat es zum Projekt Gruppe gebracht, das schon in sich politisch ist. Ein Drängen nach Platz und Raum, um gemeinsam Utopien zu verwirklichen. In dem Gesellschaftssystem, in dem wir leben, wird Raum fast ausschließlich anhand des Geldes verteilt. Und da wir kein Geld haben, oder nur wenig davon, müssen wir uns den Raumplatz eben nehmen.

Daher der Name „Räuber“…?

Wenzel: Isn komischer Name eigentlich. Bisschen zu hart für uns – eher was für Rocker.

Könnt Ihr einige Eurer Einflüsse oder Vorbilder benennen?

Wenzel: Schon tote Menschen. Meistens Männer, meistens Künstler oder Mörder / Freiheitskämpfer …(Identifikationskrise)…Und auch noch lebende Menschen: die die ich liebe und anders rum

Bernhard: Inspiriert werde ich von den Menschen mit denen ich mich organisiere.

Jakob: Viel Einfluss kommt sicher aus der Hausbesetzer Bewegung der 80er Jahre in Berlin. Viel Einfluss haben wir von Menschen bekommen, die wir durch das Veranstalten von und Aufeinandertreffen auf illegalen Parties kennengelernt haben. Einige die schon lange Jahre in solchen und ähnlichen Bereichen arbeiten, haben uns mit Wissen und Ressourcen sehr geholfen und damit auch beeinflusst. Aber das für uns drauflosmachen, das sehe ich immer noch als charakteristisch für die Gruppe.

Wie steht ihr zu Graffiti?

Bernhard: Produziert die Notwendigkeit von Soli – Parties… aber Parties machen ja Spaß.

Jakob: Ich persönlich habe erst durch die Gruppe eine wirkliche Beziehung zu Graffiti bekommen. Viele, wenn nicht sogar ein Grossteil der Gruppe, kommen vom Graffiti. Wenn du jetzt fragst wie wir zu Graffiti stehen, dann denke ich gilt für uns das starke politische Element, das Graffiti aufweist. Als Gestaltung des öffentlichen Raumes. Als Eingriff in einen Raum, der öffentlich ist und uns somit allen gehört und uns alle angeht.

Dr. Graffiti erlaubt, dass du deine Meinung an die Wand schreiben darfst wo du es sonst nicht dürftest, weil da schon die Meinung der Deutschen Bank steht.

Wenzel: Mach ich lang manchmal mehr, manchmal weniger. Krasse Power Freiheit. Mach ich für immer… Hauptsache machen! In der Gruppe glaub ich passt dieser Spruch ganz gut:
„Graffiti? Find ich gut! Aber nicht an mein Haus.“