“Besser instandbesetzen als kaputt-­besitzen“

In diesem Wandgemälde ging es nicht nur thematisch um die Instandbesetzer, sondern das Bild selbst wurde mit Hilfe der Besetzer auf die Fassade eines instandbesetzten Hauses gemalt. Am 7. Februar 1981 zogen eine Gruppe Instandbesetzer in ein seit einem Jahr leerstehenden Mietshaus in der Nehringstraße 34 im Bezirk Charlottenburg ein. Das Wandbild am sogenannten Regenbogenhaus führte Ratgeb im Sommer 1981 aus, also im Jahr des „heißen Sommers” der Besetzungsszene, als die Zahl der besetzten Häuser in West-Berlin bei 165 Hausbesetzungen gipfelte. Ratgeb widmete sich diesem illegalen Wandbildprojekt ohne Honorar und auf eigene Kosten, „aus Sympathie und zur Unterstützung dieser wichtigen stadtpolitischen Bewegung.

Das Wandgemälde, das sich über die zwei Fassaden des Eckhauses erstreckte und die vorher bestehende Farbe des Hauses in sich aufnahm, stellte die Instandbesetzer realistisch und in lebensechter Größe dar. Die oberen zwei Stockwerke des Hauses sind in einer hellen blauen Farbe gestrichen, die in dicken Klecksen die Wand hinunter zu tropfen scheint. Da kein Gerüst vorhanden war, hatten Ratgeb und die Besetzer diese Farbe mit der Hilfe langer Stangen aufgetragen, indem sie sich aus den Fenstern lehnten, um die Fassade zu streichen. Die Künstler malten einen Regenbogen mit buntem Kraaker‐Zeichen über den Eingang, das das Regenbogenhaus unmissverständlich als besetztes Haus markierte.

Mit dem Ende der Hausbesetzerbewegung im Jahr 1984 wurde das Haus legalisiert und die Instandbesetzer, die das Haus vor dem Verfall und dem Abriss gerettet haben, wurden zu genehmigten Pächtern des Hauses. Als das Regenbogenhaus 1988 eine neue Wärmedämmung brauchte, bei deren Anbringung der Putz und das Gemälde abgeschlagen werden mussten, stimmte der damalige Landeskonservator Norbert Heuler einer Wiederbemalung nicht zu. Laut Heuler sollte das Regenbogenhaus, das im geschützten Baubereich des Charlottenburger Schlosses lag, stattdessen „wieder stilecht renoviert werden”, obwohl das Haus sieben Jahre zuvor leer und vom Staat vernachlässigt stand. Obwohl Brunner argumentierte, dass man die Zubauung und Übermalung Ratgebs politischer Wandbilder nicht als staatliche Zensur sehen solle, behauptet er trotzdem, dass ein öffentliches Gemälde, das die alternative Szene und Dissens schilderte, in Schlossnähe nicht habe existieren dürfen.

Text: Emely Moore (Auszug aus: Die Künstlergruppe Ratgeb: Die Kunst der Verteidigung des öffentlichen Raumes: Politische Wandbilder in West‐Berlin 1979‐89; April 2018)