Regenbogen-Graffiti entstand aus der Idee schnell und einfach große Wandbilder zu malen, die keine künstlerische Urheberschaft haben. Regenbogen gehören niemandem. Jede und jeder kann sie machen, ohne großes Vorwissen. Alles was benötigt wird ist gute Wandfarbe mit viel Pigmenten (z.b. Abtönfarbe), leere stabile 1,5 Liter Cola-Flaschen, etwas Wasser um die Farbe flüssiger zu machen. Ausserdem einen Nagel oder einen anderen spitzen Gegenstand, um kurz vor dem Malen oben ein Loch in den Flaschendeckel zu stechen. Regenbogen-Graffiti-Gruppen geben regelmässig öffentliche Workshops. Regenbogen sind inzwischen in vielen Städten Deutschlands, aber auch z.B. in Indien zu sehen. Und seit ein paar Jahren beobachten wir, dass immer mehr abstrakte Malerei in den Strassen entsteht.
Der Regenbogen läuft…
Interview
mit Muraliquid-Künster*innen (2013)
Aufgenommen in Berlin, 2013.
Wie viel Liter schluckt ein ordentlicher Regenbogen?
2 Liter pro Farbe, also 12 Liter. Ja, 12 Liter ist gut, damit kannst du ne große Wand ordentlich voll machen. Kommt drauf an, ob die gestrichen ist oder nicht. Auf unverputzen Wänden brauchst du für die gleiche Größe vielleicht ein bisschen mehr, auf gestrichenen Wänden reicht oft auch schon 1 Liter von jeder Farb-Mischung. Da reichen zwei oder drei Rucksäcke zum Transport…
Was steckt hinter der Idee, Farbflächen von Dächern laufen zu lassen?
Wir kommen aus dem Graffiti und haben früher viele Paint-Roller (dh. Bilder mit Farbrolle und Teleskopstange) gemacht. Irgendwann haben wir mitbekommen, dass es in Bremen Ärger gibt, weil von unseren Bildern Drips (runterlaufende Farbe, Anm.) in irgendwelche Old School-Graffiti-Bilder gelaufen wären. Dann dacht ich mir, geil, dann sind wir halt die Schmiersäue, die überall die Farbe rumsiffen lassen. Sind wir ja eh… Und dann dacht ich mir, vielleicht nur noch die Farbe laufen lassen, ist ja auch geil. Damit kann man ja große Fassaden ganz vollaufen lassen.
Man kann die komplette Fassade bemalen – von oben bis unten, von links nach rechts – und braucht dazu kaum Equipment. Wobei sich das Bild durch die Gravitation eigentlich von selber malt. Schon die Ergebnisse der ersten Versuche haben uns echt beeindruckt.
Das Großartige ist: Es macht sau-spaß, es geht sau-schnell und du gehst runter, stehst da und schaust zu, wie sich das Bild von alleine zu ende malt!
A: Das Malen hat mit der Technik weniger den Charakter von Arbeit, man geht 10 Minuten hoch, kuckt sich 10 Minuten um, malt 10 Minuten. Man kriegt mehr von außen mit. Die Arbeit findet vorher statt: Erstmal ausschau halten, welche Wände überhaupt in Frage kommen. In Bremen ist das schwieriger als in Berlin, wo es hunderte Brandwände gibt. Wo steht ein Bau-Gerüst? Wie komme ich hoch? Dann Farbe anmischen…
Haben die Regenbögen eine inhaltliche Bedeutung?
B: Es ist vor allem bedeutungs-offen. Anders als Worte oder Buchstaben-Kombinationen von Graffiti-Crews werden die Regenbögen auch außerhalb einer Szene wahrgenommen und meist postitiv aufgenommen. Oft supporten einen auch Leute, die gar nichts mit Graffiti zu tun haben, aber das gut finden. Alle interpretieren das anders, ob das jetzt Kindergarten-Gruppen sind, die das abfeiern, oder Leute auf der Gay-Parade. Es ist so offen, dass jede(r) darin seinen Kontext sehen kann. In jedem Fall macht es die Stadt bunter.
D: Ich finde es schade, dass das Stadtbild von Werbung und hässlichen Büroblöcken dominiert wird. Eigentlich will das keiner, aber trotzdem wird uns das täglich vorgesetzt, nur weil Geld fließt. Ich find’s wichtig, sich das Recht herauszunehmen da ein Gegenzeichen zu setzen. Es geht am Ende nicht um das Buntmachen an sich, sondern die Frage nach der Partizipation an der Stadtgestaltung.
A: Die Frage ist nicht, ob man glücklich damit wäre, wenn alles in der Stadt bunt bemalt ist. Das muss nicht sein. Wenn es weniger Werbung geben würde, müsste man weniger malen. Ich finde es wichtig, dass ein Gegenpol sichtbar ist.
Eure Bilder nehmen in der Regel extrem viel Fläche ein und ziehen damit viel Aufmerksamkeit auf sich. Wie sind die Reaktionen?
A: Die Reaktionen sind auf jeden Fall anders als bei Tags oder anderem Graffiti. Es holt die Leute an einem Punkt ab, den klassisches Graffiti nie erreicht. Es ist interpretativ, die Peace-Fahne ist ein Regenbogen, die Queer-Community nutzt ihn… Anders als wenn wir schwarze Farbe benutzen würden, gefällt er den meisten Menschen erstmal. Und dann schaltet sich erst bei manchen dieses verbreitete Bild von Eigentum ein, es wäre doch Farbe und damit Sachbeschädigung… Ist es schön oder ein Sachschaden? Diese Frage sollen sich die Leute ruhig stellen. In Wirklichkeit ist die Fläche, die so ein Regenbogen einnimmt, viel massiver als bei den meisten anderen Graffities. Das schöne ist, der Akt des „Vandalismus“ könnte heftiger nicht sein, aber es stößt trotzdem auf mehr Zustimmung. Der Akt ist zwar krass, aber die Optik des Bildes überhaupt nicht.
B: Am klassischen Graffiti find ich es schade, dass die meisten Menschen es nicht lesen können. Regenbögen können alle „lesen“ und sich etwas für sich dabei denken. Ein super Medium, finde ich.
C: Natürlich freut es uns auch Zeitungsberichte aus verschiedenen Städten zu finden, wo Regenbögen auf Fassaden entdeckt wurden. Die Medien sind auf die Aktionen gut angesprungen und haben erstaunlicherweise größtenteils positiv berichtet, anders als wir das von sonstiger Berichterstattung über Graffiti gewohnt sind. Das liegt vielleicht auch daran, dass es schwierig ist, die Aktion zu Kategorisieren. In den meisten Berichten werden die Farbaktionen nicht in den Graffiti- oder Streetart-Kontext gerückt.
In verschiedenen Tageszeitungen in Dresden, in Bremen, sogar in der BILD gab es größere Artikel, im Weser-Kurier wurden Leute interviewt, die einen Regenbogen an ihrem Haus haben…
B: Bis jetzt (2013) wurden auch erst drei Regenbögen weggeputzt.
A: In zwei Städten ist etwas lustiges passiert, als einer von uns alleine unterwegs war: Der hat dann wildfremde Leute angesprochen, ob sie ihm helfen können – und die sind tatsächlich mit hochgeklettert! Ab und zu haben uns auch schon Hausbewohner reingelassen, wenn wir vor verschlossener Tür standen und denen offen und ehrlich erzählt haben, das wir Farbe von ihrem Haus laufen lassen wollen.
Wie wichtig ist Euch Autorenschaft bei Euren Aktionen?
B: Ich find’s besser, Namen aus den Bildern rauszuhalten, egal ob Crew oder Personennamen.
A: Reclaim your City! Einfach machen, sich den Platz nehmen. Nichts dazuschreiben, keine Tags. Die Bilder stehen für sich. Jede(r) kann das machen und es ist dadurch nicht an eine feste Gruppe gebunden. Mir geht’s darum, die Stadt bunt zu machen.
B: Ich fänds voll geil, wenn alle Leute das machen würden! Von mir aus vielviel mehr – macht die Stadt bunt!
Erlebnisberichte von Muraliquid-Aktionen (RYC-Kongress, 2015)
Diese Texte wurden während des Regenbogengraffiti-Workshops auf dem Reclam Your City-Kongress im Mensch Meier (24.-27.September 2015) vorgelesen. Es sind fragmenthafte Erfahrungsberichte von verschiedenen Muraliquid-Aktionen.
„EINLEITUNG
Hallo. Jetzt beginnt „der Regenbogen läuft“.
Dies ist nicht, wie im Programm angekündigt, ein Aktionsworkshop.
Dies ist eher wie ein offenes, partizipatives Konzept zu verstehen. Partizipativ wie die Sache selbst.
Kontrollierte Kontrollabgabe.
Es wurden hierfür unterschiedliche Texte, die euch einen Einblick verschaffen können, vorbereitet von denjenigen Menschen, die damit zu tun haben. Ihr seid angeregt und eingeladen, nach den Texten auch Kommentare oder Gedanken beizusteuern.
Es haben sich ein paar Leute angeboten zu Lesen.
Somit sind die Lesenden einfach nur plötzlich involvierte,
Teilhabende, gehören aber nicht deswegen zu den VerfasserInnen.
Auch Fragestellungen können sie daher nicht beantworten.
wir suchen aber noch 2 freiwillige Lesende. Wer von euch kann sich das vorstellen?
Was soll das ganze eigentlich?
Es wurde immer mal wieder sporadisch drüber nachgedacht, was das ganze eigentlich soll.
Ich erinnre mich, dass mein Kumpel damals in seinem Überredungsversuch, dass ich mitkommen solle, folgendes zu mir sagte:
„ich habe Lust was zu machen womit mehr Menschen was anfangen können, zumindest unser größerer Freundeskreis, nicht nur für uns und die graffi-szene, bisschen gute Laune verbreiten. Wer einen Regenbogen scheisse findet, der outet sich als jemand der bunt und fröhlich sein NICHT mag .“
Ich muss zugeben, dass ich das gar nicht schlecht fand, aber dabei auch an Fame dachte.
Die Vorstellung, dass sich jemand der diese Regenbögen scheiße findet, sich als jemand der Bock auf „unbunt und unzufrieden sein“ hat, outet-
fand ich zu dem Zeitpunkt auch sehr interessant.
Doch das ganze war mir zu Beginn noch zu Hippie-mäßig.
Als ich dann doch mitmachte habe ich schnell gemerkt, dass mir die Wände sehr gefielen.
Was mich dann aber so richtig in Fahrt brachte, war die Erkenntnis des Preis/Leistungsverhältnisses.
Ab sofort für mich die neue Form und Herangehensweise, Farbe in Städten zu verteilen.
Wenig Kosten und viel Fläche mit Farbe Füllen!
Und darüber hinaus auch noch (für mich) unerreichbare Teile einer Wand erwischen.
Normaler Vorbereitungsaufwand und schnelle Durchführung.
Gemessen an der Zeit die benötigt wird, so eine Fläche zu streichen oder zu besprühen, ist das gießen angenehmer und viel schneller.
Man benötigt auch keine Teleskop-Stangen, Farbpötte und Streichrollen.
Ein Bericht – eine Nacht
Abtönfarbe in PET-Flaschen kippen.
Einen Schuss Weiss dazu und mit Wasser auffüllen.
Schütteln. Ab in den Rucksack. Und los.
Die anderen treffen. – Mit dem Bike zum Spot.
Zu dieser hässlichen, kalten, weissen Fassade.
Schon immer zum kotzen.
Auf der Rückseite steht noch das Gerüst.
Chillen, Spot checken und dann hoch da.
Licht scheint aus manchen Fenstern. – heisst leise sein.
8. Gerüst-Etage. – Der Rucksack wird langsam schwer.
Vier weitere Stockwerke…
Mit zitternden Armen nach oben klettern. – Aussen dran.
Endlich aufs Dach.
25 Meter über den Strassen.
Die Strassen: – leer.
Die Stadt: – leuchtet.
wir sind alleine. Genießen den Moment.
Die Wand vermessen und in 6 gleich große Teile aufteilen.
Die Flaschen auspacken und Deckel abdrehen.
Diese verdammte weisse, hässliche Wand.
– Wurde endlich mal Zeit.
Mit dem Bauch in der Pfütze liegend,
die Flasche in der Hand, über den Köpfen, über Kopf
von der Dachkante hängen.
Die Farbe an die Wand kippen.
Es fließen lassen.
12 Liter verteilen sich in 15 Minuten über die gesamte Fassade.
Alles wird bunt.
endlich.
Schnell wieder einpacken und nichts wie weg.
Der Rest passiert.
Wir stehen unten und sehen, wie es sich von alleine zu Ende malt.
Manche Sachen müssen einfach passieren.
– Weil es gar nicht anders geht.
Gravity.
Was soll das ganze eigentlich?
Ist es Graffiti?
Oder wieviel Graffiti ist es?
Oder Wieviel Streetart ist es?
Wie sehr ist es politisch?
Und was muss es?
Muss das sein?
Müssen wir darüber nachdenken?
Meine Mutti mag es
dann deine glaube ich auch.
Kinder mögen es.
mein Opa, – ob er es gemocht hätte?
Du kannst fremde Menschen, die noch nie Farbe in der Hand hatten begeistern mitzumachen.
Verschiedene menschen haben uns spontan geholfen.
Die Bild-Zeitung schrieb einmal in einem überraschenden Artikel, dass es auch viele der „Geschädigten“ mögen.
Es ist universell, weltweit einsetzbar. Das Konzept läuft halt.
Der Regenbogen läuft.
Es ist für jeden realisierbar und für jeden einsehbar, – offen auf den Strassen.
Es braucht keine namentliche Benennung. Keine Überschrift. Keine Galerie.
Einen Regenbogen stellst du nicht in eine Galerie.
Es fügt sich besser in eine organische Umgebung ein, als in einen sterilen Raum.
Anders als Graffiti MUSS es auch nichts.
Du musst keine Entwürfe anfertigen, die bestimmte Gestaltungsmerkmale beinhalten.
Es gibt nicht viel zu entwerfen – es sind sechs Farben und die müssen an die Wand gebracht werden.
Hierin entsteht ein ganz anderes Augenmerk auf die Auswahl des Ortes, den Untergrund und die verwendete Technik.
Ein paar Erinnerungen
Der erste Regenbogen sollte nicht der letzte gewesen sein. Auch beim zweiten war ich nicht dabei.
Die Geschichte der Zweiten Aktion hatte mich aber doch sehr motiviert beim nächsten mal mitzuwirken.
Es herrschte noch normaler Betrieb im Gebäude, doch aufgrund der Winterzeit war es schon um 17:30 dunkel.
So war es möglich aufs Dach zu gelangen und diese sehr schöne Stelle in Anspruch zu nehmen.
Bei der Dritten Aktion war ich dann dabei, mir gefiel das sehr.
Ebenfalls während des regulären Betriebes des Objektes haben wir es auf das Dach geschafft und waren erfolgreich.
Spätestens nach dieser Aktion war klar, dass das jetzt erst mal so weitergehen wird.
Es machte riesigen Spaß drüber nachzudenken was da passiert. Mit der Farbe und den Flächen der Häuser, was für Stellen wichtig sind und wie die Reaktionen der Menschen darauf waren/sind.
Als bereits einige Regenbögen in der Stadt verteilt waren, haben wir beschlossen, auch den Rest der Welt damit zu bereichern.
Also wurden die Erfahrungen, die Lust und der Spaß an diesen Aktionen mit in das Graffiti-Reiseköfferchen aufgenommen.
Wenn jemand von uns auf Reisen ist, kommt es oft vor, dass auch Regenbögen gekippt werden.
Etwas zu hinterlassen sind wir alle sehr gewohnt. Es kam also wieder mal eine neue erfrischende Art und Weise dazu, die „Spielzeuge“ auf dem Spielplatz anders zu benutzen.
Es folgten Ausflüge nur für die Regenbögen oder die Aktionen entstanden (wie so oft) aus der Haltung: „wir sind ja gerade hier- dann bietet es sich doch an“.
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Die Welt mag es
Es ist wie Cola. Die Welt mag es. – Oder?
Auch deren PET-Flaschen sind cool. Am besten die 1,5 Liter -Flaschen, weil sie so schön stabil sind.
Man könnte sicher einen fröhlichen Werbespot drehen.
Zum Glück stehen die Regenbögen bisher für nichts als sich selbst.
Und die, die dafür verantwortlich sind, sind nicht rechtlich organisiert und handeln eigenmotiviert und um der Sache willen.
Ich muss dabei an den Film !NO! von Pablo Larraín mit
Gael García Bernal denken. – Vielleicht kennt den jemand.
Ein Mini-Exkurs.
In dem Spielfilm geht es um eine politische TV-Werbekampagne der Gegner von Augusto Pinochet in 1988.
„NO!“ ist der Kampagnenname und zugleich der sog. „Call for action“.
Es geht um ein Referendum. Die Absetzung Pinochets.
Sie rufen auf mit nein zu stimmen.
Neben diesem Wort verwenden sie in ihrem Logo noch einen Regenbogen.
Ihr Slogan dazu ist: „Chile, die Freude erwartet uns“.
Die Kampagne bediente sich der klassischen Werbesprache.
Was das mit unserem Regenbogen zu tun hat?
Es holt die Menschen auf niedrigster Schwelle ab.
Es gibt weltweit natürlich viele weitere ganz unterschiedliche Verwendungsbeispiele von Regenbögen.
Und genauso unterscheiden sich auch die Reaktionen und Interpretationen.
Es fängt an, dass es einfach nur „schön“ gefunden wird.
Weiter geht es mit verschiedener symbolischer Aufladung als kommunizierendes Zeichen im öffentlichen Stadtraum.
In politische Kontexte gerückt. Als „PACE-Fahne“ oder die der Schwul-Lesbischen Bewegung.
Für mich sind die Regenbögen eigentlich auch nur durch ihre klare Buntheit, ihre Einfachheit -auch ohne aufgeladene Bedeutung-
und dadurch, dass sie nicht genehmigt sind, wirklich interessant.
Stell dir vor, überall in den Städten wären auf Plastik-Werbetafeln Regenbögen abgedruckt. Wäre das das selbe?
Es tut sich beim allgemeinen Betrachter immer irgendwann der Konflikt auf:
„ja ich finde es schön, erlaube ich es mir, es auch schön zu finden, wenn das was ich da schön finde, rechtlich gesehen eine Straftat ist?“
Ich habe das Gefühl, dass einige sehr gesetzestreue Gehirne dann angst vor einer art Mittäterschaft im Geiste haben und sich nicht erlauben, ihrer Zustimmung zu den bunten Farben zuzulassen.
Das ist sicherlich in den unterschiedlichen Ländern unserer Erde sehr verschieden.
Ergänzung: nochmal zur NO-Kampagne:
Eigentlich hätte den Regenbogen auch genauso die Gegenseite verwenden können.
Wer weiss, wo und wie und von wem, diese Methode in Zukunft adoptiert, korrumpiert wird?
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Ohne eine Bildmitte
Gibt es eigentlich einen Unterschied, zu dem was andere Leute eigenmotiviert auf fremden Fassaden mit Farbe so veranstalten?
Der Akt der Aneignung ist wohl ein ähnlicher.
Das Ergebnis unterscheidet sich aber durch eine im Vergleich zum klassischen Graffiti optisch weniger aggressive Erscheinung.
Obwohl die gefärbte Fläche ja in der Regel ungleich größer ist.
Dafür gibt es eine wesentlich größere Verschmelzung mit der Wand.
Es ist viel vom Untergrund zu sehen, wie er vor der Umgestaltung war.
Ausserdem gibt es keine krassen Farbkontraste. Neben Blau steht Grün, daneben Gelb, dann Orange, Rot und dann Lila.
Weiß, Schwarz oder Chrom tauchen nicht auf. Genauso wenig, wie Outlines, Seconds oder Inlines.
Im Vergleich zu Streetart wirken die Regenbögen oft eher formal. Mit klarer Anordnung im Aufbau und sehr auf die bemalte Fläche bezogen.
Das Bildformat wird durch das Wandformat bestimmt und ist damit meist deckungsgleich.
Gleichzeitig bleiben große Teile der Wand in ihrer ursprünglichen Form sichtbar.
Die Regenbögen sind unübersehbar und zurückhaltend zugleich.
Es gibt keine klare Bildmitte oder individuelle Gestaltungselemente, wie klassisch in Graffiti und Streetart.
Wir haben manchmal gesagt, was wir machen ist auch viel Kontrollabgabe in einem kontrollierten Rahmen.
Bilder, die sich selber malen.
Die Farbe wird über eine Dachkante an die Wand geschüttet – das kann sehr schnell gehen.
Manchmal steht man wieder auf gewohnten Boden und sieht wie immer noch einige Farbnasen die Wand herunterlaufen.
Das Bild generiert sich also weiter, wenn der Maler oder die Malerin den Ort schon verlasen hat.
Die Schwerkraft hilft.
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z.B. 6 Meter
6 große Schrittlängen also.
dann Flaschen aufstellen – eine wunderbare Reihung. Vorfreude
also jetzt an die wand.
von oben.
plötzlich pause, denn der wachschutz auf dem Parkdeck gegenüber dreht seine runde.
nur autos im kopf der Kerl.
also entspannt weitermachen.
nicht ablenken lassen.
du siehst sie alle wie ein Adler, aber niemand von ihnen ahnt dich auch nur ein stück.
fertig dann wieder runter,
zuletzt:
zeitgleich mit der Farbe der abstieg.
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Kalkutta
Wiedersehen auf dem Kontinent der Farben und Gerüche,
Februar 2015 in Kalkutta.
Pigmente und Fassadenfarbe.
Flaschen gespült, Farbe gemischt und geschüttelt.
Wildes treiben auf dem Bazar, Ziel erreicht.
Chai first, treppen rauf.
Sonnenuntergang auf dem Rooftop,
laute Geräusche und Gebete im Hintergrund.
Farbe gesetzt, laufen lassen und Flaschen entleert.
Applaus und Freude der Satdtbewohner.
Ein befreiendes, schönes Gefühl.
Regenbögen für die Seele der Menschen und die grauen Fassaden Kalkuttas.
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Eine Geschichte
Die Sympathie einiger Mitmenschen für diese Sache fand ich immer sehr spannend.
Eine Geschichte war, dass wir einmal in Dresden einen unfertigen Regenbogen zurück lassen mussten.
Es kam aber so, dass ich alleine nach drei Wochen nochmal in Dresden war.
Ich stellte fest, dass unsere Farben unberührt so auf dem Dach standen, wie wir sie liegen gelassen hatten.
Das Problem war, dass die Stelle ein „sich weites Überlehnen“ erforderte und alleine für mich nicht machbar war.
Ich hielt mich direkt an der Stelle auf wo der halbfertige Regenbogen im dunklen hinunter ragte und quatschte Leute an, ob sie mir helfen würden.
Es war ein großer offener Platz -Sonntag 23:30 Uhr und leicht frisch und nieselig.
Meine Frage war auch ein wenig anders, denn ich brauchte jemanden, der mit mir durch den Leerstand schleicht, auf das 1,50 m breite Sims steigt und meine Beine festhält.
Damit ich mich über die 50m hohe Dachkante lehnen kann.
Alle die ich gefragt hatte fanden es „cool“ -doch keiner wollte helfen.
Um so mehr Leute ich fragte um so mehr wussten bescheid (dass war ein Gedanke, der mich ein wenig plagte).
Schließlich fand ich doch noch einen netten, jungen motivierten Menschen, der noch nie mit so etwas zu tun hatte aber mir tatsächlich half. Wir genossen die Aussicht über das schlafende, erleuchtete Dresden und die Aktion ging locker über die Kante.
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Ein paar Gedanken, was dies mit Gentrifizierung zu tun hat.
Es trägt zur Gentrifizierung bei. Weil es das Viertel auf-hübscht. Sagen manche.
ich denke es hübscht das viertel definitiv auf und trägt damit also wahrscheinlich auch zur Gentrifizierung bei.
Ziehen deswegen die reicheren dahin? – und diese Graffiti- / Kunst- / Streetart /… – Sache halt spielt dem Immobilienmarkt in die Hände?
Wie bei dem Diskurs um die Cuvry-Brandwand?
Ich denke ja und ich bin aufmerksamer geworden, bei der Auswahl der Wandfläche.
Aber es deswegen auf keinen Fall machen?
Dann darf man doch nirgends etwas machen. – Oder nur in den Vierteln, die noch nicht im Gentrifizierungs-Strudel stecken?
Dann passiert es dort halt 10 Jahre später.
Bin ich dann in 10 Jahren Schuld daran?
Da habe ich mehrmals drüber diskutiert und so richtig sicher bin ich mir auch noch nicht.
Also wie man damit am besten umgehen sollte.
Klar passiert das.
Es gibt auch den konkreten Vorschlag auf die bunte Aufhübschung zu verzichten und stattdessen grau und Schwarz zu verwenden.
Dieses Argument kann ich verstehen. Es ist mir persönlich zu radikal.
Ich für meinen Teil bleibe dabei und sehe mich nicht in der Destruktion der Stadt.
Und es würde sich in dieser Art sicher nicht mehr so zutragen, wie wir es so oft erlebt haben.
Da lässt dich jemand nachts in sein oder ihr Haus, damit du auf das Dach gehen kannst um da Farbe hinunter zu kippen, während die Person wieder schlafen geht.
Aber wenn Leute die Sache kritisieren ist mir das auch recht und ich beobachte es.
Vielleicht ist die universelle Akzeptanz und Buntheit auch Segen und Fluch zugleich.
– Ich bin Gespannt, wie eure Meinung ist.
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Mir sind die Aktionen wichtig.
Es ist für mich eine neue schöne Erkenntnis, eine Form zu finden Farbe an Häuserwände aufzutragen.
Eine Form die es schafft, Menschen die nichts mit Graffiti oder ähnlichem zu tun haben, zu animieren und zu sympathisieren.
Ich mag die Form die sich ergibt, welche ich nur begrenzt beeinflussen kann.
Die Farbe fließt, sucht sich Ihren weg.
Ich gebe die Kontrolle darüber ab.
Alles was ich kontrollieren kann, ist die Konsistenz, Materialwahl und bedingt die Ausführung.
Schnell sein und viel Fläche abzudecken macht mir sehr viel Spaß.
Die Details des „Bildes“ gefallen mir auch. Schräge miese Drips die am Boden zur Ursuppe zusammenfließen.
Darüber hinaus kann man misslungene Architektur korrigieren.
r.y.c.
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Entweder oder
Das ästhetische, instinktive Empfinden der allermeisten Menschen empfindet es zu allererst als schön.
„Oh wie schön-ein Regenbogen!“
Erst nach Einsetzen des ansozialisierten Besitzdenkens:
„Aber es ist doch Sachbeschädigung. Und die ganze Fassade ist vollgeschmiert“ stellen einige Menschen ihr materialistisches Denken über ihr ästhetisches Empfinden.
Hier holt man die Leute an einem besonderen Punkt ab.
Die Absurdität des kapitalistischen Denkens fängt hier heftig an zu wanken.
Entweder oder.
Empfindest du es immer noch als schön, obwohl der Akt des Farbvandalismus extremer kaum sein kann?
Oder wo stehst du?
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Black
Ich sehe nicht nur einen Regenbogen in den Aktionen.
Für mich sind die Erfahrungen und die Technik auch Inspiration für neue Aktionen.
Ich möchte nicht nur die typischen Regenbogenfarben benutzen.
Farbe irgendwo runterkippen ist ja auch überhaupt nix neues.
Wände schnell, hässlich und großflächig zu „verschandeln“ ist für mich der nächste Schritt.
Next step: black?
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Preisleistungsverhältnis
Ich freue mich auch noch heute wenn ich Regenbögen sehe.
Die echten finde ich auch viel besser als die gegossenen.
Es ist für mich oft eine weiche, nette und Liebevolle Geste, einen Regenbogen an eine Hausfassade zu kippen.
Ein Teil der Stadt wird Bunter.
Ohne Name oder dem Ausdruck von „krassem Können“.
Völlig umsonst,
so wie andere Graffiti auf Züge umsonst malen.
Wenn die dann so lieblos „geputzt“ werden nervt das – aber wenigstens ist der Aufwand enorm.
Es wird ein Gerüst oder eine Hebebühne benötigt (auch hier gefällt mir das Preisleistungsverhältnis sehr gut).
Wenn durch die „tolle Bemalung“ Wohnviertel aufgewertet werden, ist das für mich viel schlimmer.
Wie ich mich dazu verhalte , weiss ich jetzt noch nicht.
Drauf reagieren werde ich.
Selbsterfahrung
Es geht mir auch um Nachahmbarkeit, Experiment, Dilettantismus.
Nicht nur die einzelne künstlerische Position.
Damit auch um „Nicht-Wettbewerb – und Nicht-Meisterschaft“.
Das Fehlen einer – künstlerischen – Handschrift unterstreicht das Ganze.
Dies soll auch zum Nachmachen einladen.
In der das Weitergeben von Wissen und die Anstiftung zur Nachahmung im Vordergrund stehen.
„Each one teach one“.
Es geht natürlich auch um Selbsterfahrung und Stadtaneignung.
Wenn man eine fremde Person auf der Strasse anspricht und anstiftet, macht diese auch die Erfahrung, ohne besondere Ausbildung etwas ungewohnt Großes, auffälliges zum Stadtbild beizutragen.
Das stiftet vielleicht sogar zum größeren Denken an.
Ich habe das Ganze mal als freiwillige Selbstausbildung bezeichnet.
ENDE“