Seven Resist gestaltet seit den 1990er-Jahren Plakate und Textilien für linke Protestaktionen. Die einprägsamen Grafiken sind in den Straßen, in WG-Küchen und auf Demonstrationen zu sehen. Oft entstehen sie in direkter Kooperation mit Initiativen, die Seven Resist ansprechen, weil sie eine Gestaltung für ihre Kampagnen brauchen, z.B. gegen G8-Gipfel, Polizeigewalt und Angriffe von rechts, für besetzte Häuser und Hausprojekte wie z.B. die Köpi und unzählige andere. Vertrieben werde die Motive im Rebel Disorder Store in Berlin-Kreuzberg, der gleichzeitig Verkaufsladen, Treffpunkt und Anlaufstelle für Anfragen ist.
Auch wenn Seven Resist Plakate nur für Themen gestaltet, die ihn selber interessieren, geben sie den jeweiligen Anliegen ein Gesicht, ohne dass der Gestalter und seine Handschrift in den Vordergrund tritt.
So machen sie auf politische Themen aufmerksam und transportieren die Geschichte linker Bewegungen. Seit einigen Jahren arbeitet der Künstler an einer Plakatreihe mit Porträts in Gedenken an Partisan*innen und anderen Freiheitskämpfer*innen.
Interview
mit Seven Resist (2014)
Interview aufgenommen im Rebel Disorder Store,Berlin-Kreuzberg 2014

Deine Plakate begleiten seit vielen Jahren die linken Protestbewegungen und Subkulturen, nicht nur in den Straßen Berlins. Seit wann arbeitest du im öffentlichen Raum und warum?
Ich komm aus Essen, aus dem Ruhrgebiet und war da Ende der 1980er/Anfang der 1990er in der Punk-Szene aktiv. Im Ruhrpott gab es damals im nur (im wahrsten Sinne des Wortes) graue Straßen. Überall war alles im selben Ton grau, wie wir es vom „Monarchie und Alltag“-Albumcover von Fehlfarben kennen… Da durfte nichts unordentlich sein. „Betreten verboten“-Schilder auf dem Rasen, und wenn Du angefangen hast, Plakate auf Stromkästen zu kleben, ist das extrem aufgefallen. Es gab nämlich keine anderen Plakate, außer kommerzieller Werbung an den Bushaltestellen und Litfaßsäulen.
Als ich relativ früh damit angefangen habe, Konzerte und andere Veranstaltungen mitzuorganisieren, die meistens im Keller von einem Jugendzentrum oder in einer alten Garage stattgefunden haben, haben wir dann Flyer und Plakate gemacht und die in der Stadt verteilt. Die konnten wir in einem Büro der Grünen kopieren, weil wir zeitgleich auch in der Antifa-Jugendarbeit aktiv waren.

Hattet ihr als junge Punks zur Wendezeit einen konkreten Inhalt, den ihr nach Außen tragen wolltet?
Beim Verteilen ging es uns damals in erster Linie darum, unsere Subkultur sichtbar machen. Auch wenn immer die gleichen 30 Leute zu den Konzerten gekommen sind, haben wir trotzdem jedesmal die ganze Stadt vollgeklebt. Ausser uns konnte vermutlich niemand diese Plakate lesen oder verstehen. Da stand dann „Soli-Party“ und drei Namen, die im besten Fall irgendwie zu entziffern waren, und manchmal nicht einmal die Straße, in der das stattfand, sondern nur das Kürzel von dem jeweiligen Laden. Die Plakate waren von daher eher Protest, als dass sie irgendeine andere Wirkung gehabt hätten. Trotzdem war es wichtig im Stadtbild präsent zu sein.
Zu politischen Ereignissen, die uns bewegt haben, haben wir dann gelegentlich simple Plakate oder Wandzeitungen gemacht und sind die kleben gegangen. Wenn wir einen interessanten Artikel über Nordirland gelesen haben, haben wir unseren Stadtteil mit „British Troops out of Northern Island“ vollgeklebt, obwohl das wahrscheinlich niemanden ausser uns interessiert hat. Da ging´s uns vor allem um Provokation.
Ich glaube, dass wir dort zu der Zeit die einzige Subkultur waren, die versucht hat aktiv ins Stadtbild einzugreifen. Das war 1989/90, noch bevor Graffiti bei uns aufkam.


Gab es Anfang der 1990er Jahre Berührungspunkte zwischen Politaktivisten und der aufkommenden Graffiti-Bewegung?
Im Großen und Ganzen waren die Punk- und Graffiti-Szene ziemlich getrennt, trotz einiger Berührungspunkte. Es gibt z.B einen ziemlich guten Sprayer aus Essen, Drips, der mit seinen Leuten schon immer politische Sachen gesprüht hat, z.B. zum Golfkrieg, oder in Jugendzentren Wände gegen Nazis gemalt hat. Zumindest gegen Nazis hat die Graffiti-Szene eindeutig Stellung bezogen.
Die Graffiti-Szene hat das Stadtbild später ziemlich massiv verändert und dafür ziemlich viel riskiert. Die ersten Sprayer in Essen kamen zwar von auswärts, aber dann wurde Graffiti auch dort schnell populär. Wenn jemand einen vollbemalten Zug gesehen hat, war das dann Gesprächsthema Nr.1 auf den Schulhöfen. Später gehörte es für die Kids dazu, mit dicken Marken und geklauten Nothämmern in der Tasche herumzulaufen. Das war zwar die selbe Generation von Leuten, aber wir waren halt Punks. Und wenn wir sprühen gegangen sind, dann waren das Parolen.
Die Diskussion darüber, aktiv ins Stadtbild einzugreifen, war uns gar nicht so bewusst. Wir haben das einfach aus dem Lebensgefühl heraus gemacht.

Welche Bedeutung hatte Musik für den politischen Protest?
Als Punks wollten wir das umsetzen, wovon viele der Bands, die wir gehört haben, gesungen haben. Wie z.B. Crass oder Slime… Musik und politischer Ausdruck war für uns auf jeden Fall klar miteinander verbunden.
Musik war für uns immer ein wichtiges Kommunikationsmittel. Ich war selber in einer Punkband und es gab noch mehrere andere politische Punkbands. Das war für uns ein starker Ausdruck, wir haben Texte gehabt, mit denen wir unsere Wut rausgedonnert haben. Ansonsten gab’s ein freies Radio, wo wir ab und zu eine Sendung machen konnten. Anders als heute gabs ja nicht die Möglichkeit sich mit einem eigenen Blog, Website oder sonstwas mitzuteilen.

Gab es besetzte Häuser oder andere selbstverwaltete Räume im Ruhrpott, die ihr nutzen konntet?
In den 1980er-Jahren gab es mehrere besetzte Häuser. Das Ruhrgebiet war einer der Hochburgen Besetzer Häuser in Deutschland. Als ich dazugekommen bin, war allerdings nur noch ein kleiner Rest von Leuten übrig, die kaum noch aktiv waren. Und viele ziemlich verdrogt und versoffen. Das hat nicht gerade unseren Vorstellungen entsprochen und wir mussten unser eigenes Ding aufmachen. Wir konnten selber nur eins-zwei Jugendzentren mitnutzen, wo der Sozialarbeiter cool drauf war und wir Proberäume bekommen haben und ein Antifa-Cafe betreiben konnten.
Weil wir keinen autonomen Freiraum für uns hatten, haben wir dann 1993 selber angefangen Häuser zu besetzen. Einfach aus der Notwendigkeit heraus, dass wir alle zusammen wohnen wollten, aber uns die Miete nicht leisten konnten oder Gedanken darüber verschwenden wollten. Das hat erstmal gut geklappt, wir konnten ziemlich viele Leute mobilisieren, aber der SPD-Filz im Ruhrpott wollte sich nicht von uns auf der Nase herumtanzen lassen. Die haben gemerkt, es gibt hier eine Szene von Leuten, die sich plötzlich in den Wohnungsmarkt einmischen. Zu den ersten Räumungen haben die uns tatsächlich das SEK (Sondereinsatzkommando, Anti-Terror-Einheit der Polizei; Anm.) geschickt.

Haben einige Eurer Hausbesetzungen langfristig gehalten?
In Duisburg und Bochum gab es dann zwei Besetzungen, die länger gehalten haben. Wenn irgendwo in Nordrhein-Westfalen oder auch weiter weg etwas besetzt wurde, sind wir da mit Schlafsack hingefahren und erstmal zur Unterstützung geblieben.
Ich bin dann zwei Städtchen weitergezogen, weil wir da besetzen konnten und in Ruhe gelassen wurden. Zwei Jahre haben wir 14 Zechenhäuser in einer leerstehenden Bergarbeiter-Siedlung besetzt. Das war in erster Linie ein Wohnprojekt, wobei das wohnen immer auch bedeutete, Transparente mit aktuellen Statements aus den Fenstern zu hängen, zusammen zu Demos zu fahren und kollektiv zu leben. Aber nicht weit davon war ein großes selbstverwaltetes Kulturzentrum, in dem wir alle aktiv waren und für das ich öfters Plakate gemacht hab.

Soziale Bewegung haben schon immer gerne im öffentlichen Raum kommuniziert. Was haben Hausbesetzungen mit Gestaltung zu tun?
Besetzen hab ich immer als Gestaltung wahrgenommen, als Eingriff um etwas ganz anders zu machen. Das war der gesellschafttliche Moment zu sagen „Fuck off, alles was ihr uns bisher mitgegeben habt, alles was ich werden sollte, möchte ich nicht. Wir machen was komplett anderes!“.
Die Gebäude, die besetzt wurden, wurden ja nach den Bedürfnissen der Nutzer eingerichtet. Es ging ja darum, das Haus neu zu gestalten, auszubrechen aus der vorgegebenen Sache, wie man gelebt hat, nach dem Motto „Vater/Mutter/Kind in einer 3-Zimmer-Wohnung“…
Einfach einen Vorschlaghammer zu nehmen und Wände einzureißen war für mich Gestaltung. Gemeinsam zu überlegen, wie wir leben wollen. Die Küche einfach rot oder schwarz oder sonstwas zu streichen, einfach mal was ganz anders zu machen. Transparente für die Hauswand oder die nächste Demo zu malen.
Häuserkampf und sprühen gehörte auf jeden Fall immer zusammen. Wenn in Berlin z.B. die Palisadenstr. (ehemals besetzte Haus) geräumt werden sollte, gab es im Ruhrpott Parolen wie „Pali bleibt“ an den Wänden.
Zu Räumungen und Kundgebungen hab ich dann später Plakate gemacht, z.B. als der Wagenplatz „ Wem gehört die Welt“ ioder das Franz Rheinberger Zentrum in Köln von Polizeipanzern und Bulldozern plattgemacht wurde. Zu solchen Anlässen wurden als Protest dann oft Slogans gesprüht, da reichten Plakate als Medium nicht immer aus. Wenn es in der Innenstadt Sprühereien gab, konnten wir uns immer sicher sein, dass das auch wahrgenommen wird.

Wie entstanden die Layouts von Plakaten und Flyern in den besetzten Häusern? Gab es hauseigene Grafiker?
Die Plakate und Flyer musste halt irgendwer machen und ich hab dann gerne zugesagt das zu machen. Das hätte auch genauso gut wer anders machen können, aber meistens hatte keine*r Bock dazu. Eher selten dachte ich, dass das jetzt besonders toll aussieht, was ich gemacht habe, aber das Wichtige war, dass alle Informationen drauf standen. Ansonsten hab ich mir da wenig Gedanken gemacht. Erst viel später habe ich eine Ausbildung zu Druckvorlagenerstellung und Gestaltung gemacht.

Hat sich Deine Arbeitsweise oder Ästhetik seit der Hausbesetzerzeit verändert?
Mittlerweile sind Computerprogramme mein Haupt-Gestaltungswerkzeug. Für mich ist das eher eine technische Angelegenheit. Ich hab schon oft eine Idee, wie ich was darstellen will, aber kann das nicht selber zeichnen. Von daher brauche ich Vorlagen, die ich einscanne. Oft mach ich das klassisch mit Sprühdose auf Papier oder Tipp-Ex und Kopierer, aber diese Effekte kann ich auch am Rechner erzeugen. Das finde ich durchaus legitim, weil es keine Kunstwerke als solche werden sollen. Es sind ja keine Unikate, sondern Propaganda. Etwas, was rumgehen soll. Deswegen kann ich mir nicht die Zeit nehmen bis ich ein Bild gestalterisch vollendet finde.
Oft imitiere ich Siebdruckvorlagen oder Stencils. Gerade Sprühschablonen finde ich genial, weil sie komplexe Bilder auf den Punkt reduzieren. Viele meiner Motive auf den Plakaten würden auch als Schablonen funktionieren, aber die Plakate lassen sich viel besser und kostengünstig verbreiten.

Siehst du Dich mit Deiner Arbeit als Sprachrohr einer Bewegung?
Mit meine Plakaten sprechen die Projekte in erster Linie für sich selber. Oft kommen Leute zu mir in den Laden mit der Bitte, etwas für ihr Projekt oder ihre Kampagne zu machen. Die Leute sind die Sprecher und ich setze das um. Ich als Gestalter werde in der Regel überhaupt nicht registriert. Natürlich bekommt eine Kampagne durch meine Arbeit ein Aussehen und mir macht das viel Spaß ihr ein Gesicht zu geben, das wahrgenommen und geschätzt wird.
Meinen Laden biete ich als offene Tür an. Wenn Leute ein gutes Projekt vorhaben, können sie gerne vorbeikommen. Ich stelle meine Arbeit als Gestalter gerne für eine im weitesten Sinne subkulturelle linke Bewegung zur Verfügung. Am liebsten natürlich für Themen, für die ich selber brenne. Wie z.B. meine Plakatreihe zur Köpi.

Die seit 1990 besetzte Köpi in Berlin thematisierst du immer wieder auf Deinen Plakaten. Warum hat die Köpi so einen Stellenwert in der Berliner Subkultur?
Die Köpi ist bald 25 Jahre alt, war früher ein wichtiges autonomes Zentrum und ist immer noch ein Ort, der sich jeder Art von Kommerzialisierung von Subkulturen stoisch entgegengestellt hat. Und ich bin froh, dass es Leute gab und gibt, die diesen Ort und seinen Charakter immer wieder erfolgreich verteidigt haben. Die Stadt hat sich inzwischen ziemlich stark verändert, von den vielen besetzten Häusern der 1990er Jahre sind nicht mehr so viele übrig geblieben.
Für mich ist die Köpi seit über 20 Jahren ein wichtiger Ort, auch wenn ich in letzter Zeit nur noch selten hingehen. Ein Berlin ohne Köpi will ich mir nicht vorstellen. Die Worte „Köpi bleibt“ kann ich mit 1000% Überzeugen in die Welt schreien und wünsche mir, dass die Plakate rumgehen und gesehen werden. Und dass die Botschaft auch bei denen ankommt, die immer wieder versuchen die Köpi räumen zu lassen. Das erste Plakat zeigt, wie die Forderung „Köpi bleibt“ mit dem Megaphon verbreitet wird. Mit dem zweiten soll klargemacht werden, es geht hier nicht nur um die Forderung, wir werden die Köpi auch verteidigen.

Einige Deiner Plakate zeigen Situationen und Personen aus der Geschichte der radikalen Linken…
Bei Plakaten geht es mir auch darum, Dinge nicht verschwinden zu lassen, den Leuten Geschichte mitzuteilen. Ich glaube nicht, dass viele jüngere Leute die Geschichte der Hafenstr. oder die überhaupt die Geschichte der Autonomen kennen. Mit den Drucken kann ich Momente festhalten und am Leben erhalten.
Die Hafenstr. in Hamburg war für mich und viele andere ein Schlüsselerlebnis. Das war eins der größten bürgerlichen Schreckgespenster der 1980er, gleich neben der RAF. Damit konnte man in ganz Deutschland schockieren, die Springerpresse und konservative Politiker haben das ständig aufgegriffen. Wir sind da dann hingefahren, und als ich 1991 dort auf dem Dach war, war das so ein Gefühl von Befreiung, endlich mit der Ohnmacht gebrochen zu haben…
Den Effekt von den Plakaten male ich mir zwar nicht sonderlich groß aus. Aber ich erwarte von jungen Leuten, wenn sie auf einer bestimmten subkulturellen Welle mitschwimmen oder sich dafür interessieren, dass sie sich auch mit deren Geschichte auseinandersetzen. Wer heute in eine Jugendantifa-Gruppe sitzt, sollte schon wissen, was es vor 10, 20,30 oder auch 40 Jahren an subkulturellen Bewegungen gab. Die hatten andere Analysen, anderen Output, aber vieles, was heute besprochen wird, wurde damals auch schon besprochen. Vielleicht anders, vielleicht mit einem anderen Endpunkt, aber das macht`s ja auch interessant. Das soll nicht heissen, dass früher alles besser war, aber ein völlig anderer und irgendwie lebendigeres Lebensgefühl irgendwo zwischen Aufbruch, Provokation, Kollektivität und dem rebellischen Wunsch nach Solidarität und Veränderung.
