Kampagne gegen die Kriminalisierung von OZ.
Aktionen anläßlich der Gerichtsverfahren gegen die Hamburger Writer-Legende.
„Lasst die Finger von OZ – denn wir werden unsere Finger nicht von euren Wänden lassen! Seit über dreißig Jahren sprüht und malt OZ seine Zeichen, Smileys und Tags in Hamburg und anderswo. Sein Kampf gegen die „Saubernazis“ und deren toter Vorstellung einer Stadt aus Glas, Stahl & Beton brachten ihn bereits 8 Jahre ins Gefängnis. OZ Mission im öffentlichen Raum wurde dabei von 12-köpfige Observationsteams und einer mediale Hetzkampagne begleitet. Seit Februar 2011 läuft ein neuer Prozess gegen ihn. Dreissig einzelne Ermittlungsverfahren werden gebündelt und drohen den 61-jährigen wegen Sachbeschädigungsdelikten wie Eddingtags auf Straßenschilderrückseiten erneut in den Knast zu bringen. Mit überzeugender Konsequenz verfolgt OZ das Ziel die Stadt als Lebensraum bunter und lebendiger zu gestalten. Er entwirft dabei auf praktische Art und Weise eine Vision von Stadt, die sowohl der Eigentumsfrage als auch der zunehmenden Privatisierung und Kommerzialisierung des öffentlichen Raums einen lächelnden Smiley entgegensetzt! Die Stadt für Alle! Freiheit für OZ!“
OZ ist unsre Leitkultur (Pappsatt, Berlin. Januar 2013)
(Text aus dem Buch FREE OZ“ – Streetart zwischen Revolte, Repression und Kommerz, Assoziation A 2014)
Kurz vor dem 1.Mai 2011 okkupieren wir Tonis Hinterhof und basteln große Buchstaben an Latten: FREE OZ. Gemäß des alten Pappsattvorsatzes „Nie mehr auf eine Demo, ohne etwas in der Hand“ schleppen wir uns zwei Tage später auf der Revolutionären 1. Mai Demo einen ab. Wir stemmen uns in den Wind, die Demospitze galoppiert davon, auf der Karl-Marx-Straße splittert Bankenglas…. Aber was hat die Hamburger Legende OZ mit der Berliner Interpretation des internationalen Arbeiter_innenkampftages zu tun?
Gefühlt kennen wir OZ schon immer. Mit zwölf auf dem Hamburgtrip mit der Großmutter: überall Smileys. Oder die Nachrichten über den „Verrückten“, die in die Graffitiszene vordrangen… Eine Ausstellung in Jürgen Großes „Urban Art Info“ offenbarte uns dann das komplexe Werk des „kleinen Kings“ und auch die Repression, die er bereits erfahren musste. Vor allem die politische Dimension des Phänomen OZ wurde offensichtlich. Allein die Tatsache, das OZ mehrere Jahre wegen Sachbeschönigung in Knästen und Anstalten verbracht hatte, machte ihn uns sympathisch: Die „Unbelehrbarkeit“, die Prügel, die er im Laufe seiner Tätigkeit kassiert hat, sein Kampf gegen die Saubernazis, seine Unbeugsamkeit und Beharrlichkeit…
Schließlich war es eine Info- und Soliveranstaltung im Rahmen des Vandal Cafés (Fußnote: www.verunstaltungsreihe.wordpress.com) nach Hamburger Vorbild, das den laufenden Prozess gegen OZ im Frühjahr 2011 vor allem der Berliner Graffitiszene vorstellte. Das Vandal Café präsentiert in unregelmäßigen Abständen unterschiedlichste Graffitithematiken und wählt dafür unterhaltsame Veranstaltungsformate. Selbstkritisch wird sich dabei mal mit dem Geprolle und Mackertum in der Szene auseinandergesetzt, mal der Zusammenhang von Gentrifizierung, Kiez-Patriotismus und Graffiti diskutiert. Die „Verunstaltungsreihe“ Vandal Café ist wie ein reflexives Gewissen der Szene.
Unter der Überschrift „Sind wir nicht alle ’n bisschen OZ?“ diskutierten die beiden eigens angereisten Anwälte und ein Recht auf Stadt-Aktivist aus Hamburg mit den Anwesenden. Während die Anwälte das Verfahren aufrollten und ihre Prozessstrategie erläuterten, verknüpfte der Aktivist die Repression gegen OZ mit der Kritik an der neoliberalen Stadt. Aus dem Publikum wurde in der anschließenden Diskussion unter anderem gefordert OZs komplettes Werk unter Denkmalschutz zu stellen um dadurch seine Immunität zu erwirken.
Abschließend wurden gerahmte Fotos versteigert um den rechtlichen Beistand finanziell zu unterstützen. Wir ersteigerten unsere Lieblingsbilder und ließen sie vom King signieren.
Doch in solidarischer Nähe und räumlicher Distanz lief noch einiges mehr in Berlin: Mittels einer „Berliner Erklärung zum Fall OZ“ (Fußnote: www.free-oz.org ) wurden viele Hundert Unterschriften gesammelt, darunter von so illustren Unterzeichner_innen wie Banksy, Fettes Brot und Tocotronic. Selbstgedruckte OZ-Kringel-Shirts gingen weg wie warme Schrippen und der Erlös floss direkt in die Unterstützung der Prozesskosten.)

Auf unserer „Recht auf Stadt“-Exkursion nach Hamburg im Herbst 2011 streunten wir zwischen unseren Terminen durch das Hafenviertel, Altona und St. Pauli und bestaunten zum ersten mal bewusst das Werk des Künstlers OZ auf den Straßen seiner Stadt. Die bald schon historisch anmutenden Wandgemälde, die lächelnden Verteilerkästen, die OZ-tags, seine verbildlichte Solidarität mit dem Fußballverein, die sich im Laufe der Jahre verändernde und erweiterte Formsprache, und schließlich die der Kindermalerei entnommene Spirale, die mit Wachsmalkreide auf allen erdenklichen Untergründen, vor allem auf den mit Antigraffitifarbe beschichteten Hauswänden, ihren Platz findet. Wir entdeckten und staunten über die Vielzahl der Motive und die Wahl der Stellen.
Wir malen uns die Stadt aus
Wenn wir ein Schattenkabinett aufstellen sollten, wäre OZ unser Draussenminister. Weil er genau das macht was wir super finden und was wir auch schon fast immer machen. Unser Zugang zur Stadt ist die Farbrolle, der Marker, die Dose und der Quast. Eigentlich eher harmlose Werkzeuge, die jedoch massenhaft draußen angewandt eine starke Wirkungsmacht erzielen. Diese Werkzeuge sind leicht verfügbar und ermöglichen jedem Individuum den kreativen Eingriff in das Stadtgeschehen.
Die populärste urbane Kunstform – die Graffitikultur – die in der BRD seit fast drei Jahrzehnten beständig Jugendliche dazu bringt sich nachts heimlich raus zu schleichen, über Zäune zu hüpfen und ihre Pseudonyme zu schreiben, ist dabei ein Kommunikationssystem in der Anonymität der Stadt. Nur Eingeweihte können an dieser Form der Kommunikation teilhaben, da Lesbarkeit selten im Vordergrund steht und explizite Botschaften rar gesät sind. Auch braucht selbst das geschulte Auge Ausdauer, um sich in Städte hinein zu lesen. Wer malt wo, wer malt mit wem, wer war schon mal hier,…
Der Sinn des Markierens von Wänden und Zügen ist die Hoffnung auf Anerkennung durch die Szene. Diese applaudiert zu Entschlossenheit und Dreistigkeit: krasse Stellen, große Bilder, Tageslicht-Aktionen, U-Bahnen,… Je schwieriger und halsbrecherischer desto mehr Fame. Na gut, Stil wird auch noch mit gerechnet. Dieser Wettkampf greift wie keine andere Form die Herrschaftsverhältnisse im öffentlichen Raum an, weil Graffiti die Eigentumsverhältnisse nicht akzeptiert. Ein Großteil der Graffitiszene würde sich selbst als unpolitisch bezeichnen, obwohl der bewusste Gesetzesübertritt einen symbolischen Akt der Aneignung darstellt. Letztendlich geht es doch um die Frage, wer die Entscheidungsgewalt darüber hat, wie Stadt und der öffentliche Raum gestaltet werden – und in wessen Interessen. Stadt nicht als vorgefertigt und unveränderbar hinzunehmen, sondern als Produkt der Menschen, die sie nutzen.

Dem Akt der Aneignung begegnet die Ordnungsmacht mit Repression. Drakonische Geldstrafen und auch Knast sind keine Seltenheit. Dazu kommt das rigorose Entfernen von Graffiti auf Hauswänden und Zügen. Jedes Bombing, jedes tag ist ja schließlich auch ein Beweis dafür, dass die Kontrolle des öffentlichen Raums nicht gelingt und die Ordnungsmacht nicht anerkannt wird. Doch auch auf die versuchte Verbannung von Graffiti aus der Stadt reagiert die Szene mit Kreativität und/oder hartnäckigem Bombing, das bewusst nicht gefallen möchte. So werden mittels neuer Techniken neue Flächen erschlossen, die mit der Dose unerreichbar sind: Teleskopstangen um Namenszüge und Figuren von Dachkanten runter zu rollen, mit Farbe gefüllte Feuerlöscher um in kürzerer Zeit noch mehr Raum einzunehmen, Seil und Klettergurt um ganze Fassaden zu bemalen und sich gegenseitig dabei zu sichern…
Wann kommt die „Bunte Hilfe“?
So kreativ die Szene auf die steigende Kontrolle und Normierung ihres Spielplatzes, des öffentlichen Raums, reagiert, so unkreativ positioniert sie sich in der diskursiven Verhandlung dieser gesellschaftlichen Entwicklungen. Nur noch wenige Vereine und Institutionen machen sich öffentlich für Graffiti stark und fordern legale Flächen zum Malen. Noch miserabler sieht es allerdings auf der Ebene der Antirepressionsarbeit aus. So werden zwar Verhaltensregeln wie „wir labern nicht mit den Bullen“ in der Szene weitergegeben und Sicherheitsvorkehrungen bei illegalen Aktionen getroffen, wird mensch allerdings erwischt, ist mensch – ganz im Sinne wie Repression wirken soll – auf sich allein gestellt. Eine „Bunte Hilfe“ die als Antirepressionsplattform alle Fälle sammelt, Öffentlichkeitsarbeit macht und vernünftige RechtsanwältInnen vermittelt und teilfinanziert, wäre dringend notwendig und wunderbar.
Leider wohnen der Szenelogik jedoch Mechanismen inne, die Solidaritätsarbeit erschweren. Wenn Graffitisuperstars in U-Haft gesteckt werden gibt es zwar schon immer mal wieder Kampagnen für deren Freilassung. Ein Großteil der Repression bleibt aber von Seiten der Aktivist_innen unbeantwortet. Anstatt sich für die Graffitikultur an sich einzusetzen, verlieren sich die Protagonist_innen im Wettlauf um die besten Stellen. Und aus diesem Grund wäre ohne die Unterstützung politisierter Kreise die Soli-Kampagne für OZ nicht ins Rollen gekommen: Die hergestellte Gegenöffentlichkeit, die Solidarität der verschiedenen Szenen (Graffiti, Recht auf Stadt, Ultras, Künstler_innen,…) lies den Markier-Meister nicht alleine. Freiraum für OZ-Shirts, Presseerklärungen, Solidarität im Gerichtssaal, OZ-Special im Graffitimagazin Stylefile, Onlinepetition für den Freispruch, Free OZ-Graffitis,….

Der Fall OZ und die entstehende Solibewegung waren etwas Spezielles. So spezielle wie OZ auch selbst ist. Ein über Sechzigjähriger, der immer noch abgeht. Er geht ab und kümmert sich dabei nicht darum was die anderen von ihm denken. OZ ist nicht die Graffitiszene, OZ ist ne ganz andere Nummer, weil er sich keinen Regeln unterwirft und trotzdem so funky ist. OZ ist sich – im Gegensatz zur Graffitiszene – der politischen Dimension seines Tuns im Klaren. Seine Statements gegen die Norm, die Spießer und Saubernazis sind eindeutig. Er macht das, wovon er überzeugt ist. Und OZ macht viel mehr als immer nur seinen Namen zu schreiben. Er arbeitet an der Gestaltung die Stadt. Er pflegt sie, wenn er eigenhändig Parks anlegt und großflächige Wandbilder produziert. Durch ihn bekommen die starren Oberflächen der Stadt ein Gesicht. Ein Gesicht, das vom Leben in der Stadt zeugt. Einem Leben das mit Engagement, Risiko und guten Überzeugungen zu tun hat und weniger mit Konsumplastikwelten aus Waschbeton mit Spiegelglas. Es sind die Unorte der Stadt, denen OZ sich annimmt. Liebloses Stadtmobiliar, die Brachflächen auf den Rückseiten von Straßenschildern, alles was eben ein bisschen Farbe und Charakter gebrauchen kann. Die Stadt – in Form eines Stromkastens – guckt dich an und spricht zu dir. Was hast du zu sagen?
OZ ist einer der emsigsten Arbeiter im Kampf um eine lebenswerte Stadt. Eine Stadt von unten gemacht und für alle. Deswegen hat er unsere volle Solidarität. Wir kündigen jetzt schon seine Befreiung an, sollte er erneut eingebuchtet werden.