Nach dem Mauerfall ergab sich vor dem Hintergrund unklarer Besitzverhältnisse und eines vorübergehenden rechtlichen Vakuums in Ostberlin eine einmalige Gelegenheit für Aneignungsaktionen. Die Westberliner Polizei war noch nicht für die Ostbezirke zuständig und die Polizei im Ostteil war durch den Zusammenbruch der DDR entmachtet. Viele leer stehende Häuser und Brachen wurden innerhalb kurzer Zeit besetzt, um günstige bzw. kostenlose Wohnmöglichkeiten zu nutzen, aber auch um nichtkommerzielle Räume für Kunst und Kultur zu schaffen. So gründeten sich in den Jahren 1990 und 1991 u.a. das autonome Kulturzentrum Köpi – die erste gemeinsame Besetzung von Aktivist*innen aus Ost- und Westberlin (Februar 1990) –, das Kunsthaus Tacheles in der Oranienburger Straße (Februar 1990), das KuLe – Kunst und Leben e.V. oder die Hausprojekte und der Abenteuerspielplatz rund um die Rigaer Straße in Friedrichshain. Zwischenzeitlich besetzt war auch die nach der Wende wiedereröffnete Oberbaumbrücke im ehemaligen Grenzstreifen zwischen Friedrichshain und Kreuzberg.
Die gewaltsame Räumung der mehr als 20 besetzten Häuser in der Friedrichshainer und Mainzer Straße im Rahmen eines bürgerkriegsähnlichen Szenarios mit tagelangen Straßenschlachten läutete das Ende dieser Bewegung ein. Die dort erlittene Polizeigewalt war für viele der Bewohner*innen und Unterstützer*innen ein traumatisches Erlebnis. Aber auch gegen Angriffe von Neonazis mussten sich die Besetzer*innen wehren. Trauriger Höhepunkt dieser Gewalttaten war die Ermordung des Antifaschisten Silvio Meier am U-Bahnhof Samariterstraße. Nach ihm wurde später die angrenzende Straße benannt.
Insgesamt wurden durch beide Bewegungen Hunderte leer stehender Häuser in ganz Berlin besetzt. Dies ermöglichte die Gründung von selbstverwalteten Hausprojekten und nichtkommerziellen Kulturläden. Viele konnten sich mit dem Abschluss von günstigen Pacht- oder Mietverträgen legalisieren, einige konnten die von ihnen genutzten Häuser kaufen und in genossenschaftlichen Besitz überführen. Diese Räume, von denen es immer noch Hunderte in Berlin gibt, haben als gemeinsames Charakteristikum, dass sie aufgrund ihrer Vorgeschichte kollektiv und nichtkommerziell, d.h. nicht gewinnorientiert betrieben werden. Sie haben den Anspruch, offen für jede*n zu sein, unabhängig von Einkommen, Herkunft und sozialem Status. In ihnen gibt es z.B. Konzerte, Partys, Filmvorführungen, Diskussionsveranstaltungen, Kneipenabende, aber auch Theatervorführungen oder Essen, alles umsonst oder gegen Spende.
Fotos: Marko Krojač.