Am 25.9. 2014 wurde der Sprühaktivist OZ auf den Gleisanlagen zwischen den Stationen Hamburg Hauptbahnhof und Berliner Tor von einer S-Bahn erfasst. Walter Josef Fischer, so der Name hinter dem Pseudonym – wurde 64 Jahre alt. In den letzten 30 Jahren und bis zu seinem Tod – unweit des Unfallorts wurden frische Malereien von ihm festgestellt – hat OZ an der Gestalt(ung) der Stadt Hamburg gearbeitet. Am 17. Oktober wurde OZ in Anwesenheit von 500 Freunden, Fans und Unterstützern auf dem Friedhof Ohlsdorf beigesetzt.

Eine Verabscheidung vom Pappsatt-Kollektiv (September 2014)

(Autoreninfo: Pappsatt schleppte 2011 FREE OZ – Buchstaben auf der 1.Mai-Demo in Berlin und hat seitdem die Solibewegung für OZ unterstützt.)

Die S-Bahn, die die Trauergäste nach Ohlsdorf fährt, ist mit Farbe überschüttet. Sie zieht an vielen anderen Zügen vorbei, die ebenso bunt markiert wurden: Farbbomben, Destroylines, Feuerlöscherspritzer, OZ-Tags und Smileys. Die Hamburger Graffitiszene, in der es sonst intern nicht immer harmonisch zugeht, hat OZ in gemeinsamen nächtlichen Aktionen einen fulminanten Abgang beschert. Das Ausmaß der Farbanschläge ist immens, seit sich die Nachricht von OZ Tod verbreitet hat. Die Sprüher_innen nutzen vor allem die Wagons der Bahn um ihre farbigen Trauerbekundungen in die Stadt zu tragen.

Da Walter mittellos verstarb und keine direkten Angehörigen hatte, sahen sich Freund_innen mit finanziellen und bürokratischen Problemen konfrontiert, für einen würdigen Abschied zu sorgen. Erst musste erreicht werden, dass die Leiche nicht, wie in solchen Fällen üblich, für pathologische Untersuchungen herhalten musste. Die nötigen 8000 Euro für die Trauerfeier wurden innerhalb weniger Tage durch eine Crowdfunding-Aktion der FC St. Pauli-nahen Internetplattform Kiezhelden gesammelt.

Die größte Trauerhalle auf dem Friedhof in Ohlsdorf ist mit ihren 300 Sitzplätzen restlos überfüllt. Vorne – unter der Anordnung eines Triptichons von OZ-Leinwänden – der bunt angemalte Sarg von Walter. Das Angebot der OZM-Gallerie diesen farbig zu gestalten, hatten offensichtlich zahlreiche Wegbegleiter_innen angenommen. Die zentrale Leinwand hinter dem Sarg, stellt einen umgedrehten Bundesadler dar, über dem der unverkennbare OZ-Smiley prangt und lächelt.

OZ – du hast gewonnen!

Der Kampf gegen Ordnung, Norm und Obrigkeit waren stets Triebfedern für OZ künstlerische Aktivitäten. Als Heimkind war er mit den konservativen Erziehungsmethoden Nachkriegsdeutschlands konfrontiert. Eine Weltreise endete 1977 mit seiner Abschiebung aus Indonesien. Zurück in Stuttgart kam er durch parolenschreibende RAF-Symphatisant_innen zum ersten mal mit der Sprühdose in Kontakt. OZ war fasziniert von der Möglichkeit, den öffentlichen Raum mit Farbe zu gestalten. 

Wegen der unvergleichlichen Konsequenz und Hingabe, mit der OZ fortan seinen markanten Zeichen in den Stadtraum brachte, war er immer wieder heftiger staalicher Repression ausgesetzt. Misshandlungen durch Hochbahnwache und Polizei, mediale Hetzkampagnen, zahlreiche Ermittlungsverfahren und Anklagen und insgesamt 8 Jahre in Knästen und Anstalten konnten OZ Gestaltungsdrang aber kaum brechen. Der Vorstellung dieser „Saubernazis“ vom vermeintlich öffentlichen Raum setzte OZ ein rotziges Sprühn = Powa entgegen.

Auf der Trauerfeier hören die Gäste gebannt den persönlichen, einfühlsamen Reden über OZ und sein Lebenswerk zu. Nur die wenigsten kannten den Menschen hinter den Sprühereien. Immer dann, wenn in den Geschichten und Briefen die pedantische Hartnäckigkeit und Haltung Ozs gegenüber der Ordnungsmacht zum Ausdruck kommt, löst sich die ergriffene Stimmung in Schmunzeln auf… dieser Typ war so cool! 

Die Gestaltungshoheit von Stadtplaner_innen, Architekt_innen und Eigentümer_innen hat OZ durch sein Schaffen permanent in Frage gestellt und den staatlichen Ermittlungsbehörden dabei konsequent die Stirn geboten. Diese Haltung zeugt von der Selbstbestimmtheit des Menschen OZ.

Während manche Trauergäste versuchen der sensationslüsternden Presse ihre Fotomotive zu verstellen (zu Lebzeiten war OZ oft hetzerischer Berichterstattung in den bürgerlichen Medien ausgesetzt), fliegen Luftballons über dem Trauerzug. Rauchbomben, Transparente und Banner machen OZ letzten Weg zu einer bunten Manifestation. Nach dem Herablassen des Sargs durch OZ engste Freunde, zeigt sich bei der individuellen Verabschiedung an der Grabesstelle die Vielfalt der trauernden Anhängerschaft. 15-jährige Sprüherkids schmeißen Marker und Dosen ins Grab, andere stehen in ihrer Arbeitsklamotte am Grab. Ein Freund der Straße und Wegbegleiter von OZ spielt auf dem Vibraphon Amazing Grace. Die Ultras des FC St. Pauli sind ebenso anwesend wie Recht-auf-Stadt Aktivist_innen.
Genau diese Mischung zeichnete die Solidaritätsbewegung aus, die sich in den letzten Jahren formierte, um drohende Haftstrafen von OZ abzuwenden.

Das Phänomen OZ wird langfristig Einfluss auf die Debatte um die Stadt und den öffentlichen Raum haben. Die Hamburger Grünen wagten bereits den Vorstoß und forderten alle Werke von OZ unter Denkmalschutz zu stellen. Während dieser Vorschlag alte Diskussionen darüber aufwärmt, was Kunst und was Geschmiere sei, stellt OZ Gesamtwerk die Frage nach der Art der Kommunikation im öffentlichen Raum. Dazu ein Statement des Kollektiv Orangotango: „Künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum bieten ein großes Potenzial gesellschaftliche Schieflagen aufzuzeigen und eine kritische Auseinandersetzung damit anzuregen. Doch viel zu oft haben Eigentümer_innen von Hausfassaden und anderen Flächen im öffentlichen Raum sowie kapitalkräftige Werbeunternehmen die Gestaltungshoheit über das Gesicht unserer Städte – und was wir sehen sind daher graue Wände oder Werbung. Die tatsächlichen Nutzer_innen der Straßen und Plätze sind die Menschen, die diese täglich passieren oder in der Nachbarschaft wohnen, doch haben sie nur selten Mitspracherecht an der Gestaltung ihrer Umwelt.“

Möglichkeiten an ihn OZ erinnern, wird es zumindest in Hamburg in den nächsten Jahren viele geben. Als Künstler hatte OZ eine unverkennbare Form-, Farb- und Bildsprache entwickelt: Smileys, Tags, Spiralen, Pizzas, Pillen und Muster. Die Wahl der Stellen, an denen OZ seine Werke platzierte, ist dabei bezeichnend für sein Schaffen. Er nahm die architektonisch vorgegebenen Strukturen der Stadt auf und verlieh ihnen durch seine Interventionen eine farbige Note mit hohem kommunikativen Charakter. Rein baulich funktionale Objekte markierte OZ durch künstlerische Aneignung und stellte mit seinen Sprühereien die massive Leere repräsentativer Architektur in Frage.

Die von OZ besetzten Stellen zu halten, neue zu schaffen und die Stadt von unten und für alle weiter zu träumen, ist das Erbe, das wir dankend antreten.