Die Pixações aus São Paulo in Brasilien sind kryptisch gestaltete Buchstaben, die von den Pixadores oft in abenteuerlichen Kletteraktionen über ganze Häuser gemalt werden. Dafür seilen sie sich ab oder klettern ganz ohne Sicherung an Regenrinnen und Balkonen entlang.

Um verschiedene politische Forderungen zu verbreiten – Schutz von indigenem Land, Kampf gegen das Erstarken der brasilianischen Rechten, Stopp des Genozids an der schwarzen Bevölkerung durch brutale Polizeieinsätze –, entwickelten anonyme Pixadores in São Paulo das Zeichen »Pixo Manifesto Escrito«, das von allen benutzt werden kann, die sich mit Aktionen unter diesem Signet verbunden fühlen. Es ist ein kollektives Tag, das nicht mit Einzelnamen oder Crewnamen in Verbindung gebracht, sondern für politische Aktionen eingesetzt werden soll.

In São Paulo gibt es eine brutale Klassengesellschaft, was sich auch an den Wänden ablesen lässt. Arm und Reich wohnen räumlich voneinander separiert. Viele Pixadores stammen aus den ärmeren Bevölkerungsschichten, leben in den Vororten und Favelas der Stadt und sehen ihre Zeichen auch als Protest gegen die soziale Ungleichheit. Dies ist vermutlich ein Grund dafür, dass ihre Kunst von der Justiz verfolgt wird, während Graffiti, d.h. bunte Bilder und Schriftzüge, in Brasilien gesellschaftlich eher anerkannt und auf öffentlichen Flächen oft toleriert werden. Deswegen grenzen sich Graffiti und Pixação strikt voneinander ab. Im Zweifelsfall entscheidet auf der Straße ausgerechnet die Polizei, ob es sich bei einem Bild um »Kunst« handelt oder um Pixação und das als »Vandalismus« mit Härte verfolgt wird. Neben Schlägen und Misshandlungen gab es immer wieder Vorfälle, bei denen Pixadores von der Polizei oder anderen Ordnungsfanatikern ermordet wurden, weshalb die Pixadores eigene Demonstrationen organisierten und sich mit (Mal-)Aktionen zur Wehr setzen. Einen Skandal versursachten Pixadores, als sie aus Protest 2010 die Biennale von São Paulo stürmten, Tags in die Ausstellungsräume sprühten und schließlich von den Sicherheitsleuten verprügelt und festgenommen wurden.

Gegen die Polizeigewalt in Brasilien gab es Solidaritätsaktionen in verschiedenen europäischen Städten, u.a. wurden die brasilianische Botschaft in Berlin an der Jannowitzbrücke und die Generalkonsulate in Frankfurt und Amsterdam großflächig mit »Pixo Manifesto Escrito« und politischen Parolen besprüht.

Fotos: Fabio Vieira FotoRua, Pixo Manifesto Escrito